Die grüne Welle bei den eidgenössischen Wahlen im Kanton Aargau war gemäss einer Nachwahlbefragung nicht das Resultat einer ungewöhnlich starken Mobilisierung der Jungen oder Frauen. Diese beiden Gruppen gingen weniger häufig an die Urnen als ältere Wahlberechtigte und Männer.
Die Wahlerfolge kamen vielmehr dadurch zustande, dass die Grünen und die Grünliberalen Sympathisierende an die Urnen treiben konnten, die den Wahlen vor vier Jahren noch ferngeblieben waren.
Gleichzeitig gewannen die beiden Parteien Stimmen von anderen Parteianhängerschaften hinzu. Das geht aus der am Freitag veröffentlichten Nachbefragung des Zentrums für Demokratie (ZDA) im Auftrag des Kantons Aargau hervor.
Das ZDA relativiert in seinem umfangreichen Bericht mehrere Analysen nach der Nationalratswahl, wonach vor allem Junge und Frauen zur grünen Welle geführt hätten.
Die Stimmregisterdaten aus verschiedenen Städten und Kantonen deuteten zwar darauf hin, dass die Partizipation der jungen Frauen zwischen 2015 und 2019 etwas weniger stark zurückgegangen sei als als jene älterer Männer, hält das ZDA fest. Die geringere Demobilisierung junger Frauen alleine vermöge den deutlichen Erfolg der Grünen und der Grünliberalen jedoch nicht zu erklären.
An der Nachbefragung beteiligten sich insgesamt 2146 wahlberechtigte Aargauerinnen und Aargauer. 10'000 Wählende waren zuvor angeschrieben worden. Die Nachbefragung ist Bestandteil des Projekts «Fokus Aargau» mit insgesamt acht Befragungswellen. Die Kosten betragen 472'000 Franken. Das Geld stammt aus dem kantonalen Swisslosfonds.
SP mobilisierte, Grüne profitierten
Die Grünen profitierten dabei auch von den Mobilisierungsanstrengungen der SP Aargau. Diese trieb ihre Anhängerschaft erfolgreich an die Urnen – jeder zehnte Wähler entschied sich jedoch nicht für die SP-Liste, sondern für die Liste der Grünen.
Der Grund für diesen Parteiwechsel war der Klimaschutz. Eine klare Mehrheit der «Überläufer» gab den Umwelt- und Klimaschutz als grösste Sorge an. Zum Vergleich: Insgesamt betrug dieser Anteil innerhalb der SP-Wählerschaft nur 29 Prozent.
Die Grünliberalen wiederum vermochten vor allem Stimmen von Mitte-Wählenden hinzuzugewinnen und schnitt gerade bei den Jungwählenden ausgezeichnet ab. Die Grünliberalen weisen generell eine der jüngsten Wählerschaften auf, während sie bei den älteren Wahlberechtigten nach wie vor einen schweren Stand hat.
Der CVP, die mit mehreren Listen antrat, gelang es besser als anderen Parteien, ihre Kernwählerschaft an die Urnen zu bewegen. Nur wenige CVP-Wähler von 2015 blieben im vergangenen Oktober der Urne fern.
Die SP wiederum trieb ihre vormals Wählenden auch im Oktober erfolgreich zur Wahl. Nur gerade 15 Prozent der SP-Wählerschaft von 2015 blieben 2019 zu Hause. Die Mobilisierungskampagne der SP funktionierte demnach ähnlich gut wie jene der CVP.
Passive SVP-Stammwählerschaft
Andere Parteien, allen voran die SVP, hatten hingegen Mühe, ihre eigenen Stammwähler zu mobilsieren. Rund 30 Prozent der SVP-Wählerschaft von 2015 gaben ihre Stimme 2019 nicht mehr ab. Im Gegensatz zu anderen Parteien konnte die SVP diesen Verlust durch Mobilisierung von vormals Abstinenten sowie Erst- und Neuwählenden nicht kompensieren.
Das hatte gemäss Nachbefragung auch mit dem Themenfokus des Wahlkampfs zu tun. Allerdings war der Klimaschutz bei der Nachbefragung im Kanton Aargau nicht die am häufigsten genannte Sorge. Es war vielmehr die AHV. Aber was die Finanzierung der Altersvorsorge betrifft, so konnten viele Wahlberechtigte keine Partei ausmachen, die eine kompetente Lösung für das Problem bot.
Eine beträchtliche Zahl dieser Wahlberechtigten sind Sympathisierende der SVP und FDP, also jener beiden Parteien, die 2019 zu den Verlierern zählten. Sie konnten das Wählerstimmenpotenzial, das dem Thema Altersvorsorge innewohnte, nicht ausschöpfen.
Die FDP verlor vor allem Wähler an die SVP und Grünliberale (je 5 Prozent). Diejenigen, die zur SVP abwanderten, hatten Zweifel am menschenverursachten Klimawandel, während eine klare Mehrheit jener, die zu den Grünliberalen zogen, den Klimaschutz als drängendstes Problem überhaupt betrachteten.
Zurück zur Startseite