Der Aargauer Grosse Rat hat am Dienstag ein Begnadigungsgesuch einer jungen Tibeterin mit 65 zu 63 Stimmen abgelehnt. Die Frau muss nun wegen illegalen Aufenthalts für 30 Tage ins Gefängnis, weil sie die Busse von 900 Franken nicht bezahlen kann.
Beim Fall handelt es sich um eine 22-jährige Frau aus Tibet, deren Asylgesuch vom Bund abgelehnt wurde. Die genaue Herkunft steht jedoch nicht fest. Sie müsste ausreisen, kann jedoch die notwendigen Papiere nicht beschaffen. Daher wurde sie von der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm Anfang 2016 wegen rechtswidrigen Aufenthalts verurteilt.
Sie kassierte eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 30 Franken sowie eine Busse von 900 Franken. Weil die Frau die Busse nicht bezahlen kann, soll eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen vollzogen werden.
Justizdirektor Urs Hofmann (SP) kam in einem Bericht zum Schluss, dass die Voraussetzungen für einen Gnadenakt gegeben sind. Er stellte den Antrag, die Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen gnadenweise zu erlassen.
"Besondere Umstände"
Hofmann sagte im Parlament, es sei nicht bestritten, dass die Frau ursprünglich aus Tibet stamme. Es lasse sich jedoch keine Staatsbürgerschaft von Nepal oder Indien nachweisen. Es würden "besondere Umstände" für eine Begnadigung vorliegen. Die zuständige Kommission des Grossen Rats sprach sich mit 8 zu 7 Stimmen gegen eine Begnadigung aus.
Eine Ausreise sei objektiv unmöglich, darin sei man sich einig, betonte ein SP-Sprecher. Sie könne nicht ausreisen, weil sie keine Papiere habe. Die Situation sei "absurd".
Der Grosse Rat habe die Möglichkeit, in diesem Fall eine Begnadigung zu gewähren. Der Fall müsse mit Menschlichkeit gelöst werden, forderte eine SP-Grossrätin. Es gehe darum, eine übermässige Härte auszugleichen. Die Frau erhalte Nothilfe von 200 Franken pro Monat.
SVP und FDP gegen Gesuch
Es sei nicht alles so klar, wie es dargestellt werde, hielt eine SVP-Sprecherin fest. Die Frau könne zahlreiche Fragen zu ihrer Herkunft nicht genau klären. Die 22-Jährige wolle einfach in der Schweiz bleiben. Die Frau müsse ihre Herkunft bekanntgeben, dann könnten die Papiere beschafft werden.
Sie lebe nun weiterhin illegal in der Schweiz. Die Frau habe das Rechtssystem missbraucht und verdiene es nicht, sich in der Schweiz aufzuhalten. Die Frau verschweige ganz gezielt, wo sie geboren und aufgewachsen sei, betonte ein SVP-Sprecher.
Man dürfe nicht in ein laufendes Verfahren eingreifen, hielt ein FDP-Sprecher fest. Der Fall wäre mit der Begnadigung noch nicht abgeschlossen. Weitere abgewiesene Asylbewerber könnten in ähnlichen Fällen ein Begnadigungsgesuch einreichen.
CVP für Begnadigung
Der Grosse Rat entscheide heute nur, ob eine schuldige Person ins Gefängnis müsse oder nicht, führte die GLP an. Eine CVP-Grossrätin wies darauf hin, dass das Bezirksgericht Kulm im März die gleiche Frau in einem zweiten Fall vom Vorwurf des rechtswidrigen Aufenthalts freigesprochen habe. Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auch die EVP und die Grünen sprachen sich für die Begnadigung aus.
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