Grosser Rat AG Aargauer Volk wählt künftig das «Präsidium der Gemeinde»

ga, sda

21.6.2022 - 16:52

In der Stadt Brugg AG wurde die bisherige Frau Stadtammann Barbara Horlacher (Grüne) im Amt bestätigt. Auf dem Wahlzettel stand jedoch "Stadtammann". Künftig soll das Volk das "Stadtpräsidium" wählen. (Archivbild)
In der Stadt Brugg AG wurde die bisherige Frau Stadtammann Barbara Horlacher (Grüne) im Amt bestätigt. Auf dem Wahlzettel stand jedoch "Stadtammann". Künftig soll das Volk das "Stadtpräsidium" wählen. (Archivbild)
Keystone

Im Kanton Aargau wird der Begriff «Gemeindeammann» oder «Stadtammann» in der Kantonsverfassung gestrichen. Neu soll das Volk stattdessen das «Präsidium der Gemeinde» wählen. Das hat der Grosse Rat im Grundsatz hauchdünn beschlossen.

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Das Parlament überwies am Dienstag eine entsprechende Motion mit dem Stichentscheid der Grossratspräsidentin Elisabeth Burgener (SP). Das Stimmenverhältnis im Parlament fiel mit 64 zu 64 Stimmen aus. Die Motion war aus den Reihen von SP, FDP, Mitte, GLP und EVP eingereicht worden.

Die SVP lehnte die Forderung ab und sprach von «Emanzipierungswahn». Es sei etwas Ehrenhaftes, «Frau Gemeindeammann» zu sein.

In den meisten anderen Kantonen hätten sich die Begriffe Gemeindepräsident oder -präsidentin durchgesetzt, hielt eine SP-Grossrätin fest. Es gehe auch um die Gleichberechtigung. Der «Gemeindeammann» sei beispielsweise im Kanton Zürich der Betreibungsbeamte.

Bei der FDP gab es verschiedene Positionen zum gleichen Thema. Gemeindeammann sei ein historischer Begriff, sagte eine FDP-Grossrätin. Eine Mitte-Grossrätin gab sich erstaunt, dass die Forderung so hohe Wellen werfe. Der «alte Zopf» müsse abgeschnitten werden. Auch die Grünen sprachen sich für die Namensänderung aus, die GLP war grossmehrheitlich dafür.

Der Regierungsrat stützte die Forderung. Es spreche nichts dagegen, den neutralen Begriff des Gemeindepräsidiums in die Kantonsverfassung aufzunehmen, sagte Regierungsrat Dieter Egli (SP). Es gehe um die sprachliche Gleichbehandlung.

In der Kantonsverfassung soll nun die Formulierung «der Gemeindeammann» durch «das Gemeindepräsidium» ersetzt werden. Der Vergangenheit angehören soll zudem die historisch entstandene Funktionsbezeichnung «Gemeindeammann» und «Vizeammann». Künftig soll die Funktion «Gemeindepräsidentin/Gemeindepräsident» und «Vizepräsidentin/Vizepräsident» heissen.

Neue Bezeichnung ab 2026

Der Regierungsrat stellte bereits im Frühling in Aussicht, die Forderung nach dem Namenswechsel bei der Funktion im Rahmen der geplanten Totalrevision des Gemeindegesetzes umzusetzen. Der Erlass soll Anfang Januar 2026 in Kraft treten.

Der Grosse Rat hatte in der Vergangenheit wiederholt über das Aus für die Begriffe «Gemeindeammann» und «Vizeammann» diskutiert. Zuletzt entschied das Parlament im September 2010 mit 63 zu 58 Stimmen, die Begriffe beizubehalten.

Begriff aus dem Geschichtsbuch

In der Begründung der Motion der fünf Parteien hiess es, 50 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts sei es an der Zeit, dass in den Bezeichnungen der höchsten politischen Ämter kein Geschlecht explizit genannt werde. Die Sprache solle sich den Begebenheiten anpassen. Der Begriff Gemeindeammann stamme aus dem 19. Jahrhundert.

Die Gemeinden könnten zwar in der Gemeindeordnung den Begriff der Gemeindepräsidentin oder des Gemeindepräsidenten festlegen. Gehe es jedoch um die amtliche Ausschreibung der Wahl, so müssten sie die Begrifflichkeit der Verfassung übernehmen, also die Wahl des «Gemeindeammanns».

So kam es im vergangenen Herbst vor, dass in Brugg AG die Frau Stadtammann Barbara Horlacher (Grüne) klar wiedergewählt wurde – auf dem Wahlzettel war jedoch nur von «Stadtammann» die Rede.