Strafverfolgung Aufsichtskommission kritisiert Basler Staatsanwaltschaft

yedu, sda

14.9.2021 - 16:48

Die Basler Staatsanwaltschat soll mit der Regierung die Prioritätensetzung bei der Verfolgung von Demonstrationsteilnehmenden überprüfen. Zu diesem Schluss kommt die Aufsichtskommission der Staatsanwaltschaft in ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht 2020/2021.

14.9.2021 - 16:48

Zudem ist die fünfköpfige Aufsichtskommission der Meinung, dass die Staatsanwaltschaft in Zukunft bei der Prioritätensetzung auch die Wirkung gegenüber der Öffentlichkeit vermehrt berücksichtigen soll. So soll ein Instrument geschaffen werden, dass Pannen in der internen und externen Kommunikation in sensitiven Fällen verhindert.

Hintergrund ist das Vorgehen der Staatsanwaltschaft bei der Strafverfolgung des ehemaligen Sektionschefs der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) Basel, Tobias Steiger.

Gegen ihn hatte die Staatsanwaltschaft letzten April wegen antisemitischer Äusserungen eine bedingte Geldstrafe von 160 Tagessätzen à 80 Franken ausgesprochen. Dies unter anderem wegen einer Rede, die er Ende November 2018 an einer Pnos-Demonstration in Basel gehalten hatte. Darin gab er Juden die Schuld an den beiden Weltkriegen. Zudem hatte er auf Facebook den Holocaust infrage gestellt.

In verschiedene Medien war im Vorfeld kritisiert worden, dass das Verfahren gegen Steiger nur zögerlich vorankommen würde, während Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gegendemonstration «Basel Nazifrei» alle mit Einzelanklagen vor Gericht gebracht wurden.

Das Dossier landete auch bei der Aufsichtskommission, weil die Staatsanwaltschaft ihr bei jedem Fall, der über 24 Monate alt ist, Bericht erstatten muss. Die Staatsanwaltschaft hatte gegenüber der Aufsichtskommission angegeben, dass das «Geschädigteninteresse» bei diesem Fall» gering» und das «Medieninteresse» «nicht gegeben» sei.

«Nicht nachvollziehbar und unzutreffend»

Beide Angaben seien für die Aufsichtskommission nicht nachvollziehbar und unzutreffend, heisst es im Bericht. So hatte der Schweizer Israelitische Gemeindebund bereits vor der Demonstration von November 2018 Strafanzeige gegen Steiger eingereicht.

Eine weitere Anzeige erfolgte nach der Demonstration. «Der zuständige Staatsanwalt hat keinen Anlass gesehen, das Verfahren deswegen prioritär zu behandeln. Was das Medieninteresse angeht, so scheint der Verfahrensleiter die Brisanz des Falles für die öffentliche Wahrnehmung völlig verkannt zu haben», schreibt die Aufsichtskommission.

Dass das Verfahren gegen den ehemaligen Pnos-Sektionschef nicht zeitgleich abgeschlossen wurde wie die Verfahren gegen die Teilnehmenden der Gegendemonstration, begründete die Staatsanwaltschaft gegenüber der Kommission damit, dass die Fälle nicht vom selben Staatsanwalt bearbeitet worden waren. Intern habe keine Kommunikation und dementsprechend auch keine Koordination zwischen den beiden verantwortlichen Mitarbeitenden stattgefunden.

Die Aufsichtskommission habe keinen Anlass anzunehmen, dass Angehörige der Staatsanwaltschaft mutmassliche Täter aus der rechtsextremen Szene nicht verfolgen würden, heisst es weiter im Bericht. Es sei jedoch offen, ob sich die Priorisierung dieser Fälle im Zusammenhang mit «Basel Nazifrei» tatsächlich gesamthaft auf den Katalog des Regierungsrates abstützen lasse, wie der Erste Staatsanwaltschaft angegeben hatte.

Auch hält die Kommission fest, dass die Staatsanwaltschaft sich in dieser Sache «selbst in ein ungünstiges Licht» gebracht habe, weil sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gegendemonstration mit grossem Aufwand und in einer grossen Anzahl von Einzelverfahren zur Rechenschaft ziehe und harte Strafen fordere. Gleichzeitig habe sie beim ehemaligen Pnos-Sektionschef «objektiv nicht mit derselben Dringlichkeit die notwendigen strafrechtlichen Ermittlungen an die Hand genommen».

Rüffel für die Polizei

Die Priorisierung der «Basel-Nazifrei-Fälle» hat gemäss Aufsichtskommission zur Folge, dass andere Verfahren nicht bearbeitet werden konnten.

In ihrem Bericht rüffelt die Kommission auch noch die Polizei: So sei an der Kundgebung vom November 2018 auch die Polizei vor Ort gewesen und es sei erklärungsbedürftig, weshalb die anwesenden Beamtinnen und Beamten keinen Anlass sahen, Strafanzeige gegen den Redner der Pnos einzureichen.

Die Kommission hält fest, dass es wohl gar keine Gegendemonstration gegeben hätte, wenn der Pnos-Anhänger keine Plattform erhalten hätte. Zumal gegen ihn zu diesem Zeitpunkt bereits ein Strafverfahren wegen Rassendiskriminierung hängig gewesen sei.

yedu, sda