Bundesgericht Türke in finanzieller Schieflage erhält eine letzte Chance

ga, sda

15.8.2023 - 14:00

Für einen 43-jährigen und finanziell verschuldeten Türken aus dem Kanton Aargau hat sich die Beschwerde an das Bundesgericht (Bild) gelohnt: Er behält seine Niederlassungsbewilligung - und wird gleichzeitig verwarnt. (Archivbild)
Für einen 43-jährigen und finanziell verschuldeten Türken aus dem Kanton Aargau hat sich die Beschwerde an das Bundesgericht (Bild) gelohnt: Er behält seine Niederlassungsbewilligung - und wird gleichzeitig verwarnt. (Archivbild)
Keystone

Die Behörden des Kantons Aargau haben einem in der Schweiz geborenen 43-jährigen Türken zu Unrecht die Niederlassungsbewilligung ("Ausweis C") entzogen. Dies hat das Bundesgericht entschieden und die Beschwerde des Mannes gutgeheissen. Der Türke wird jedoch verwarnt.

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Der Ledige, derzeit in einer Partnerschaft mit einer Frau lebende Mann, hat über Jahre hinweg einen Schuldenberg von 250'000 Franken angehäuft. Dies geht aus einem am Dienstag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervor.

Er arbeitet in einer 80-Prozent-Anstellung. Ein Teil seines Lohnes ist gepfändet, um Schulden abzutragen. Das kantonale Amt für Migration und Integration Kanton Aargau (Mika) warnte den Mann bereits in den Jahren 2006 und 2014, dass seine Niederlassungsbewilligung wegen der Schulden in Gefahr sei.

Aargauer Amt greift durch

Im September 2021 widerrief das Mika den «Ausweis C» und setzte eine Ausreisefrist von 90 Tagen an. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde des Türken gegen den Entscheid ab. Der Mann gelangte mit einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an Bundesgericht, um seine Bewilligung zu retten.

Die Lausanner Richter haben das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben. Der Mann sei vor dem Widerruf der Niederlassungsbewilligung im September 2021 nicht mehr verwarnt worden. Die letzte Verwarnung liege bereits sieben Jahre zurück.

Bundesgericht spricht letzte Verwarnung

Der Widerruf der Bewilligung erweise sich ohne aktuelle Verwarnung als «unverhältnismässig» und sei aufzuheben, halten die Richter fest. Doch sie sprechen eine ausdrückliche Warnung aus: Ein Widerruf bleibe jederzeit möglich, wenn er sich weiter verschulde oder durch sein Verhalten einen anderen Widerrufungsgrund setze.

Der Mann hat nie Sozialhilfe bezogen, wie aus den Erwägungen des Bundesgerichts hervor geht. Er hat seinen Lebensunterhalt jedoch über Neuverschuldung gedeckt. Weil er mehr arbeitet, kann laut Bundesgericht von einer positiven Neuausrichtung gesprochen werden. Daher könne dem Türken «eine tendenziell positive Zukunftsprognose» gestellt werden.

Das Bundesgericht weisst darauf hin, dass der Mann der zweiten Generation angehöre. Daher könne der Aufenthalt angesichts der besonderen Verwurzelung nur mit besonderer Zurückhaltung beendet werden.

Immer in der Schweiz gelebt

«Er ist hier geboren, aufgewachsen und sozialisiert worden, hat mithin sein gesamtes Leben hier verbracht», schreiben die Lausanner Richter im Urteil. «Er ist sprachlich, kulturell und sozial eingebunden. Seine nahen Verwandten – Grossmutter, Mutter und Bruder – leben hier.»

Mit seinem Heimatland verbinde den Mann nicht viel mehr als die blosse Staatsbürgerschaft. Das letzte Mal sei er vor mehr als 30 Jahren in der Türkei gewesen.

Zur Gesamtwürdigung hält das Bundesgericht fest, dass dem erheblichen öffentlichen Interesse an der Wegweisung des Mannes zur Vermeidung weiterer Schuldenwirtschaft ein ebenso grosses privates Interesse am Verbleib im gewohnten Umfeld gegenüberstehe. (Urteil 2C_19/2023 vom 20.7.2023)