Ein 46-jähriger Russe wehrt sich am Kantonsgericht St. Gallen gegen den Vorwurf, er habe im Oktober 2016 seine Ehefrau erwürgt. Die Vorinstanz hatte ihn wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Das Urteil der Berufungsverhandlung steht noch aus.
Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, seine Ehefrau in der Familienwohnung ermordet zu haben. Das Kreisgericht Wil war von der Schuld des Mannes überzeugt, verurteilte ihn zu einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe, verhängte eine Landesverweisung von 15 Jahren und verpflichtete ihn, der gemeinsamen Tochter Schadenersatz und Genugtuung zu zahlen. Gegen dieses Urteil legte er Berufung ein und verlangt nun am Kantonsgericht St. Gallen einen vollumfänglichen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft erhob Anschlussberufung und forderte eine Erhöhung der Strafe auf 15 Jahre.
Rückkehr in die Heimat als Motiv
Bereits an der erstinstanzlichen Gerichtsverhandlung hatte der russische Staatsangehörige bestritten, seine Ehefrau erwürgt zu haben. An der Berufungsverhandlung vom Dienstag beteuerte er erneut seine Unschuld. Es gebe überhaupt kein Motiv, weshalb er sie hätte umbringen sollen, erklärte der Mann in der Befragung durch den vorsitzenden Richter.
Das Ehepaar und ihre gemeinsame Tochter lebten als Asylbewerber in der Schweiz. In seiner Heimat habe man ihm aufgrund von politischen Machtkämpfen eine Straftat unterstellt, die er nicht begangen habe, berichtete der Beschuldigte. Um nicht für lange Zeit eingesperrt zu bleiben, habe er zusammen mit der Ehefrau und der gemeinsamen Tochter die Flucht ergriffen.
Nach einigen Monaten wollten Frau und Tochter nach Inguschetien zurückkehren, weil ihre Mutter und Grossmutter im Sterben lag. In dieser Reise sah die Anklage das Motiv für den Mord, da der Beschuldigte nicht ohne seine Familie habe leben wollen. Dieser wies die Anschuldigung zurück. Er sei mit dem Vorhaben vor allem deshalb einverstanden gewesen, weil er daran geglaubt habe, dass sie zurückkehren würden.
Im Keller Deutsch gelernt
Seine Frau habe die Tochter in den Kindergarten gebracht, schilderte der Beschuldigte das Geschehen am Todestag vom 26. Oktober 2016. Etwas später sei auch er aufgewacht und habe das Haus verlassen. Er habe zunächst einen Bekannten aufgesucht und danach ein Transportunternehmen. Zurück in der Wohnung habe er im Keller Deutsch gelernt und schliesslich seine Frau wecken wollen, weil es Zeit gewesen sei, die Tochter aus dem Kindergarten abzuholen. Die Frau aber lag tot im Ehebett. Die Gerichtsmedizin stellte fest, dass sie beim Auffinden durch die Polizei bereits seit mindestens eineinhalb Stunden tot war.
Der Beschuldigte stellte in der Berufungsverhandlung verschiedene Mutmassungen an, wer seine Ehefrau ermordet haben könnte. Ausgesehen habe sie, als ob sie von einem Auto angefahren worden sei. Vielleicht sei sie von der unbekannten Täterschaft auch im Flur überfallen worden. Jedenfalls glaube er daran, dass sie erst nach ihrem Tod ins Ehebett gelegt worden sei. Das Urteil des Kantonsgericht St. Gallen wird erst in einigen Tagen erwartet.
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