Ohne Gegenmassnahmen droht den St. Galler Spitälern jedes Jahr ein Defizit von 70 Millionen Franken. Mit einer medizinischen Leistungskonzentration soll die Situation entschärft werden: Künftig sollen nur noch die Spitäler in St. Gallen, Grabs, Uznach und Wil stationäre Behandlungen anbieten.
Der Verwaltungsrat der Spitalverbunde des Kantons St. Gallen schlug bereits bei der Jahresmedienkonferenz im März Alarm und kündigte ein Strukturprojekt an.
Seit der Einführung der neuen Spitalfinanzierung im Jahr 2012 hätten sich die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen grundlegend verschärft, schreibt der Verwaltungsrat der Spitalverbunde in einer Mitteilung vom Donnerstag. Für das laufende Jahr wird mit einem konsolidierten Verlust von 25,7 Mio. Franken gerechnet.
Medizinische Versorgung gefährdet
Ohne wirksames Gegensteuern drohe den Spitälern in den nächsten sieben Jahren ein strukturelles Defizit von jährlich 70 Mio. Franken. Dieses gefährde langfristig die medizinische Versorgung im Kanton St. Gallen.
Der Verwaltungsrat der Spitalverbunde schlägt der Kantonsregierung und dem Parlament eine medizinische Leistungskonzentration in den Spitalverbunden vor. Stationäre Behandlungen sollen künftig nur noch an einem Standort pro Spitalverbund angeboten werden: konkret an den Spitälern St. Gallen, Grabs, Uznach und Wil.
99 Prozent der St. Galler Bevölkerung würden auch in Zukunft innerhalb von 30 Minuten ein Spital mit Notfall- und stationärer medizinischer Versorgung erreichen, heisst es in der Mitteilung weiter.
Die Ziele dieses Grobkonzeptes sind die Konzentration, der Abbau von teuren Doppelspurigkeiten, die Erhöhung der Fallzahlen und eine weitere Qualitätssteigerung.
Der Verwaltungsrat schlägt zudem vor, das Leistungsangebot an den fünf Spitalstandorten Altstätten (78 Betten), Walenstadt (97), Wattwil (71), Flawil (82) und Rorschach (81) neu zu konzipieren.
Sie könnten nach Möglichkeit die ambulante Gesundheitsversorgung in Kooperation mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten anbieten oder teilweise einer anderen Nutzung zugeführt werden.
Ambulant vor stationär
Es würden keine Spitäler geschlossen, nur das stationäre Angebot in den fünf betroffenen Häusern werde geschlossen, sagte Felix Sennhauser, ab 1. Juni Verwaltungsratspräsident der St. Galler Spitalverbunde, auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Rund ein Viertel der 1340 Spitalbetten würde verschwinden.
Ambulant vor stationär sei das Credo, so Sennhauser. Ab Anfang 2019 gilt in der ganzen Schweiz eine Liste von Operationen, die in der Regel nicht mehr stationär durchgeführt werden dürfen. Das hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verordnet. Die Verlagerung der Eingriffe soll auch im Kanton St. Gallen Millioneneinsparungen bringen.
Die Gewerkschaft VPOD ist vom Vorschlag "hell entsetzt". Die Ankündigung der Schliessung werde in den fünf betroffenen Spitälern zu grosser Verunsicherung über die zukünftige Entwicklung führen. Über 1000 Angestellte müssten entweder Arbeitsorte wechseln oder sie würden ihre Stelle verlieren, heisst es im Communiqué des VPOD weiter. Die vier Spitalverbunde beschäftigten insgesamt 5500 Mitarbeitende und rund 1000 Lehrlinge.
Von der Regierung erwartet der VPOD, dass sie sich diesem, von Privatisierungsgelüsten getriebenen Konzept mit aller Deutlichkeit entgegenstellt.
Heftige Reaktionen
Unverzüglich reagiert haben auch die Parteien: Die SVP spricht von einer Fehlplanung, die den Steuerzahler teuer zu stehen komme. Nur vier Jahre nachdem das Stimmvolk knapp eine Milliarde Franken für die neue Spitalinfrastruktur gesprochen habe, müsse diese bereits wieder überarbeitet werden.
Die FDP wehrt sich gegen jegliche Abstriche in der angebotenen Qualität, ist aber gleichzeitig offen für neue Modelle, die langfristig auch finanzierbar seien.
Panikartig schlage der Verwaltungsrat Spitalschliessungen vor und fordere von der Regierung grünes Licht für den radikalsten Spitalabbau in der Geschichte des Kantons, schreibt die SP. Diese Forderungen seien inakzeptabel.
Das vorliegende Konzept lasse viele Fragen offen, schreibt die CVP in ihrer Stellungnahme. Es gelte seriös abzuklären, ob und wie stark das Bettenangebot im stationären Bereich in den verschiedenen Spitälern verkleinert werden müsse.
Regierung bildet Lenkungsausschuss
Der Vorschlag des Verwaltungsrats liegt jetzt bei der St. Galler Regierung. Sie anerkennt die schwierige finanzielle Situation und sieht Handlungsbedarf, wie es in einer Mitteilung der St. Galler Staatskanzlei heisst. Gestützt auf die vorliegenden Informationen könne aber noch kein Entscheid zur Strategieentwicklung gefällt werden.
Die Regierung hat beschlossen, die Entscheidungsgrundlagen zu erweitern und einen Lenkungsausschuss aus Mitgliedern der Regierung und des Verwaltungsrats gebildet. Noch vor den Sommerferien werde das nächste Mal informiert.
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