LehrplanRegierung setzt auf ERG Schule – Kirchen an den Rand gedrängt
gn, sda
20.11.2020 - 13:48
Die St. Galler Regierung hat entschieden, dass nur noch die Schulen das Wahlpflichtfach Ethik, Religion und Gemeinschaft (ERG) erteilen. Die Landeskirchen sind enttäuscht. Grosse Investitionen in die Weiterbildung der Lehrkräfte seien umsonst gewesen.
Es ist eine St. Galler Speziallösung, die mit dem Lehrplan 21 eingeführt wurde: Seit drei Jahren müssen sich die Schülerinnen und Schüler ab der 3. Primarklasse beim Fach Ethik, Religion und Gemeinschaft (ERG) zwischen dem Angebot der Schule und demjenigen der Kirche entscheiden. Beide Varianten sind in den Stundenplan integriert und gehören zum normalen Unterricht.
In einem parteiübergreifenden Vorstoss wurde vor einem halben Jahr eine grundlegende Änderung verlangt. Mit dem aktuellen System werde die Gemeinschaft der Klasse auseinandergebrochen. Für die Lehrerinnen und Lehrer fehle die wertvolle und nötige Arbeit mit der ganzen Klasse zu den Themen Ethik, Werte und Normen.
Inzwischen liegt die Antwort vor: «Die Regierung hat am 17. November 2020 den Beschluss des Bildungsrates vom 11. November 2020 genehmigt, die Rahmenbedingungen zum Lehrplan Volksschule dahingehend anzupassen, dass ab dem Schuljahr 2021/22 der Volksschulunterricht abgesehen vom freiwilligen Religionsunterricht ausschliesslich in der Zuständigkeit der weltlichen Schulträger liegt. Das Anliegen der Motionärin und der Motionäre ist damit erfüllt, womit sich ein Gesetzgebungsverfahren erübrigt», heisst es im Nichteintretens-Antrag der Regierung an das Parlament.
Das heisst: ab August 2021 wird das Fach ERG sowohl in der Primarschule als auch auf der Oberstufe zum rein schulischen Fach im Klassenverband, wie das Bildungsdepartement am Freitag mitteilte. ERG solle in der Klassengemeinschaft gefördert und die spaltende Wirkung des bestehenden Modells – zwischen christlichem und nichtchristlichem Hintergrund – überwunden werden.
Über 100 Lehrkräfte ERG Kirchen
«Die Kirchen bedauern diesen Entscheid», heisst es in einer gemeinsamen Mitteilung des Bistums, des katholischen Konfessionsteils und der Evangelisch-reformierten Kirche. Man hätte es begrüsst, wenn die St. Galler Schülerinnen und Schüler weiterhin die Wahl zwischen ERG Schule und ERG Kirchen gehabt hätten.
Bedauerlich sei auch, dass die grossen Investitionen der Kirchen umsonst waren. Beide Landeskirchen hätten rund 400'000 Franken in den Lehrplan, in den Aufbau einer Website und in die Ausbildung der Lehrkräfte investiert, sagte Martin Schmidt, Präsident des evangelisch-reformierten Kirchenrats des Kantons St. Gallen, auf Anfrage von Keystone-SDA.
Zurzeit unterrichten im ganzen Kanton rund 100 ausgebildete Lehrkräfte ERG-Kirchen. Der Unterricht sei im Gegensatz zum freiwilligen Religionsunterricht der evangelischen oder katholischen Landeskirche konfessionell neutral. Gemäss Schmidt besuchen 45 Prozent der Schüler ERG Kirchen, 55 Prozent ERG Schule.
ERG bleibt eigenständiges Fach
Begrüsst wird die Tatsache, dass jahrelange Diskussionen und Unsicherheiten ein Ende fänden und das ERG als eigenständiges Fach erhalten bleibe, sowohl auf der Unter-, der Mittel- als auch der Oberstufe, schreiben die Kirchen. Sie hoffen nun auf einen Ausbau des Religionsunterrichts und darauf, dass die Schulgemeinden diesen nicht nur in Randstunden stattfinden lassen.
Die Landeskirchen seien mit dem Religionsunterricht weiterhin ein wichtiger Teil des Schullebens, schreibt die Regierung. Damit bleibe ein markanter Unterschied zur Lehrplanvorlage 21 bestehen – diese hatte keinen Religionsunterricht vorgesehen.
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