OstschweizWeiterhin keine Durchgangsplätze für Fahrende im Kanton St. Gallen
ka, sda
3.5.2023 - 10:17
In den letzten 20 Jahren ist im Kanton St. Gallen die Realisierung von Durchgangsplätzen für Fahrende immer wieder gescheitert. Das zuständige Departement hat die Suche vorläufig eingestellt. Die einzige verbliebene Möglichkeit gibt es noch in Thal – mit ungewissen Erfolgschancen.
ka, sda
03.05.2023, 10:17
SDA
Seit 2003 sind die Kantone nach einem Bundesgerichtsurteil verpflichtet, in ihren Richtplänen die Bedürfnisse der Fahrenden als Teil der Schweizer Bevölkerung zu berücksichtigen. In den 20 Jahren seither ist es im Kanton St. Gallen nicht gelungen, auch nur einen Durchgangsplatz bereitzustellen. Eigentlich bräuchte es sechs.
Seit längerem bewegt sich bei diesem Thema nichts mehr. Im aktuellen Bericht zum Regierungscontrolling für das Jahr 2022 steht: «Die Suche nach neuen Durchgangsplätzen, wobei vor allem die Realisierung von provisorischen Plätzen im Fokus ist, wurde im Sommer 2020 eingestellt.»
In den Jahren zuvor gab es verschiedene Versuche, etwa in Gossau. Die Zonenplanänderung für einen Standort im Industriegebiet lehnte zuerst das Stadtparlament ab. Als Reaktion darauf wurde eine Initiative eingereicht, die 2016 an der Urne scheiterte.
Konzept ohne Anwendung
2015 hatte der damalige Baudirektor Willi Haag (FDP) bekanntgegeben, der Kanton setze nun auf provisorische Durchgangsplätze, die jeweils für zwei bis vier Wochen genutzt werden könnten. Dafür brauche es Wasser, Strom und eine ToiToi-WC-Anlage.
Das Konzept sieht vor, dass der Kanton das Land kauft und die Plätze erstellt. Die Gemeinden hätten die Angebote betreiben und dafür Miete und Gebühren verlangen können.
Seither gab es verschiedene Abklärungen, doch das Konzept wurde noch nie angewendet. Bei einem möglichen Standort in Sennwald habe die Gemeinde ihre ursprüngliche Zusage wieder zurückgezogen, heisst es im Controlling-Bericht.
Gespräche mit der Armee seien ergebnislos verlaufen. Abklärungen zu kantonseigenen Parzellen hätten keinen Erfolg gebracht, weil die Gemeinde Vilters-Wangs grosse Vorbehalte angebracht habe. Die Pläne für ein Provisorium in Thal seien vorläufig sistiert worden.
In Thal gibt es seit langem Pläne für einen provisorischen Standort im «Fuchsloch». Doch der Gemeinderat setzt für einen positiven Entscheid Einstimmigkeit voraus. Diese fehlt. Ganz vom Tisch ist das Projekt zwar nicht. Der Durchgangsplatz in Thal bleibe im kantonalen Richtplan eingetragen, erklärte Marco Paganoni, Sprecher des Bau- und Umweltdepartements, auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Bevölkerung entscheidet
Das Bundesgericht und das Verwaltungsgericht hätten bestätigt, dass die Gemeinde Thal mit dem Richtplaneintrag verpflichtet sei, «bis 2027 einen definitiven Durchgangsplatz zu realisieren». Doch der Kanton relativiert: Allerdings blieben die demokratischen Verfahrensabläufe vorbehalten und die Bevölkerung könne im Rahmen einer Gemeindeabstimmung Ja oder Nein sagen.
Was geschieht, wenn das Projekt in Thal definitiv wegfällt? Die Aufgabe, einen geeigneten Platz zu finden, wäre aus raumplanerischer Sicht grundsätzlich keine allzu schwierige Aufgaben, «wenn die Akzeptanz gegeben wäre», so Paganoni.
Aktuell werde die Bildung einer departementsübergreifenden Fachgruppe geprüft. Deren Aufgabe wäre es, über die Situation dieser nationalen Minderheiten zu informieren und zu sensibilisieren. Der Kanton erhoffe sich dadurch eine bessere Akzeptanz bei der Bevölkerung und werde die Suche «zu gegebener Zeit wieder aufnehmen».
Kritik der Fahrenden
Eine Übersicht der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende von 2021 zeigt, dass in der Schweiz bisher 24 Durchgangsplätze mit 312 Stellplätzen in Betrieb sind. Aufgeführt ist etwa der Thurgau mit einem Standort in Weinfelden.
Die vergebliche Suche nach Durchgangsplätzen löste immer wieder Kritik der Fahrenden aus. Sie brachten den Widerstand auch schon mit der Aktion «Kinder der Landstrasse» in Verbindung. Im Kanton St. Gallen sei man schon immer stärker gegen die Jenischen gewesen, hiess es etwa 2016 vom Präsidenten der Bewegung der Schweizer Reisenden.
Tatsächlich gehörte St. Gallen zu den nur vier Kantonen, in denen den Fahrenden von 1926 bis 1973 Kinder weggenommen wurden. Diese wuchsen danach in Pflege- und Dienstfamilien, vor allem aber in Heimen und Anstalten auf.
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