Prozess Zockerei des VR-Präsidenten treibt Churer Treuhandfirma in den Ruin

SDA

19.11.2019 - 16:01

Hochriskante Börsengeschäfte des Verwaltungsratspräsidenten haben eine renommierte Churer Treuhandfirma in den Ruin getrieben. Am Dienstag musste der 50-Jährige in Chur vor Gericht erscheinen. Ihn erwartet eine mehrjährige Freiheitsstrafe.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, von Ende 2010 bis Anfang 2015 insgesamt 702 unrechtmässige Transaktionen ab den Bankkonten von Kunden ausgeführt zu haben. Auf 16,2 Millionen Franken summieren sich die Veruntreuungen.

Bei privaten, hochriskanten Börsengeschäften hatte er sich um fast sechs Millionen Franken verzockt, sodass er sich dauernd neues Geld beschaffen musste. Ein psychiatrisches Gutachtet attestiert dem Angeklagten eine spezielle Form der Spielsucht.

Der Angeklagte, der am Dienstag vor dem Regionalgericht Plessur in Chur erscheinen musste, vernachlässigte wegen der Zockerei an der Börse einerseits seine Arbeit als Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsident der renommiertem Churer Treuhandfirma Allemann, Zinsli & Partner. Andererseits nutzte er Kundenbeziehungen der Firma, um an frisches Geld zu kommen.

Dabei schreckte der Absolvent der Hochschule St. Gallen und diplomierte Wirtschaftsprüfer vor keinem Mittel zurück. Er fälschte Buchhaltungsbelege und Jahresrechnungen von Kunden, Protokolle und E-Mails, erstellte fiktive Jahresrechnungen sowie Verträge. Der 50-Jährige bezog einen Lohn von etwa einer halben Million Franken, genoss das Vertrauen seiner Kunden und war «regional sehr angesehen», wie sich der Vertreter der Anklage ausdrückte.

Unterschrift gefälscht

Misswirtschaft, Urkundenfälschung, Veruntreuung und ungetreue Geschäftsbesorgung lauten im Wesentlichen die Vergehen, denen sich der Mann schuldig gemacht haben soll. Er soll sogar die Unterschrift des Verwaltungsratspräsidenten der Parkhaus Chur AG gefälscht haben.

Die Liste geschädigter Unternehmen ist lang und umfasst Firmen vor allem in Chur, aber auch in St. Gallen. Selbst die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Bad Ragaz-Pfäfers schädigte er als deren Kassier um 843'000 Franken. Geld verloren haben überdies Organisationen wie Pro Natura, die Vogelwarte Sempach oder die Stiftung des Schweizerischen Komitees für Unicef.

Zwillingsbruder geht an die Öffentlichkeit

Auf die Schliche kamen die Behörden dem Mann, nachdem das Bundesamt für Polizei (fedpol) die Bündner Kantonspolizei einen Verdacht auf Geldwäscherei gemeldet hatte. Anfang Januar 2015 trat überraschend der Zwillingsbruder des Beschuldigten an die Öffentlichkeit und gab bekannt, dass er Strafanzeige eingereicht habe. Der Bruder des Angeklagten sass als Mitglied im Verwaltungsrat der Treuhandfirma.

Der Angeklagte habe aus rein egoistischen Motiven gehandelt und «alle an der Nase herumgeführt», sagte der Vertreter der Staatsanwaltschaft am Dienstag vor Gericht. Das grosse Vertrauen, welches er und die Treuhandfirma genossen hätten, habe er hemmungslos ausgenützt. Die Anklage forderte eine Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren.

Die Verteidigung verwies auf die Spielsucht des Angeklagten. Sie verlangte eine dreijährige Freiheitsstrafe, zwei Jahre davon bedingt.

Der Angeklagte sei jetzt aber auf dem Weg zur Resozialisierung, sagte der Verteidiger. Diesen Prozess würde eine langjährige Freiheitsstrafe gefährden. Das Urteil wird vermutlich am kommenden Donnerstag eröffnet.

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