TötungsdeliktBeschuldigter fährt Richter und Ankläger an den Karren
SDA
8.9.2020 - 12:41
Am Zürcher Obergericht hat sich am Dienstag ein 64-jähriger Mann zu verantworten gehabt, der erstinstanzlich wegen vorsätzlicher Tötung seiner Freundin verurteilt worden war. Wie schon vor dem Bezirksgericht Horgen ZH verlangte er einen Freispruch. Das Urteil folgt am Nachmittag.
Gleich wie im Sommer 2019 in Horgen, machte der Schweizer auch vor den Oberrichtern seine Aussagen weitschweifig und unpräzise. Er plauderte, als ob er mit Kumpels am Stammtisch sässe.
Immer wieder vergriff sich der Beschuldigte im Ton. Den Staatsanwalt titulierte er schon mal als «Fötzel» oder «Laferi». Dem vorsitzenden Richter warf er lauthals vor, ihm «ungehörige und beleidigende» Fragen zu stellen.
Auf einen Vorhalt des Richters, wonach es Anzeichen schon früherer Gewalt gegen die Freundin gegeben habe, die Beziehung also nicht so friedlich gewesen sei, wie von ihm dargestellt, sagte er jovial: «Dann schiessen Sie los.»
In Badewanne deponiert
Sowohl der Beschuldigte als auch das Opfer waren am Tatabend alkoholisiert. Gemäss dem erstinstanzlichen Urteil hat der Mann die wenige Jahre ältere Frau am 30. Oktober 2017 in der gemeinsamen Wohnung in Adliswil ZH zusammengeschlagen und stranguliert. Die Gerichtsmediziner stellten schwere Verletzungen fest, etwa Knochenbrüche, Risse, Quetschungen und einen gebrochenen Kehlkopf.
Die Frau, die keine Lebenszeichen mehr gab, deponierte er in der Badewanne und legte sich im Bett schlafen. Am nächsten Morgen schaffte er sie ins Bett. Erst am Morgen darauf, am 1. November, rief er die Polizei an.
Laut dem Bezirksgericht hatte der Beschuldigte die Tötung zwar nicht geplant, sie aber in Kauf genommen – es liege also Eventualvorsatz vor. Es verurteilte ihn wegen vorsätzlicher Tötung zu zehn Jahren Freiheitsentzug.
«Fremdeinwirkung nicht erstellt»
Der Beschuldigte focht das Urteil an – er forderte eine Freispruch. Es sei nicht rechtsgültig erstellt, dass der Tod der gesundheitlich schwer angeschlagenen Frau tatsächlich durch Fremdeinwirkung verursacht wurde, argumentierte der Verteidiger vor dem Obergericht.
Die Verletzungen könnten auch durch Stürze erfolgt sein. Sein Mandant sei nach dem Prinzip «Im Zweifel für den Angeklagten» freizusprechen. Falls das Gericht von einem Tötungsdelikt ausgehe, sei dies eher Totschlag bei stark verminderter Schuldfähigkeit.
«Direkter Tötungsvorsatz»
Der Staatsanwalt reduzierte seinen Strafantrag aufgrund der im Bezirksgerichtsurteil angeführten Alkoholisierung um zwei auf 13 Jahre Freiheitsentzug. Im übrigen forderte er eine Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils.
Im Unterschied zur Annahme des Bezirksgerichts sei allerdings von einem direkten Tötungsvorsatz und nicht von blossem In-Kauf-Nehmen auszugehen. Einen Menschen zu strangulieren, bis dieser aufgrund von Sauerstoffmangel im Gehirn an einer zentralen Atemlähmung sterbe – «dauert eine lange Zeit». Da müsse ein direkter Tötungsvorsatz gegeben sein.
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