Endspurt vor den WahlenDas sind die 5 grössten Probleme Zürichs
Von Philipp Dahm
10.2.2022
Wenn es um die lebenswertesten Orte der Welt geht, ist Zürich stets vorn mit dabei. Was hat so eine Stadt eigentlich für Probleme? blue News hat vor der Wahl am Sonntag bei den Parteien nachgefragt.
Von Philipp Dahm
10.02.2022, 11:15
10.02.2022, 12:12
Philipp Dahm
Wer Zürich nicht kennt und online darüber liest, muss die Stadt irgendwo zwischen dem Garten Eden und Schlaraffenland verorten.
Ob beim «Global Liveability Index» des «Economist», beim Ranking der besten Universitäten oder der Liste der glücklichsten Städte: Zürich ist immer mit dabei. Was kann diese Stadt – mit der weltweit dritthöchsten Millionärsdichte – überhaupt schon gross für Probleme haben?
Wer hingegen in Zürich lebt oder die Stadt schon öfter besucht hat, weiss natürlich, dass auch an der Limmat nicht alles Gold ist, was glänzt. Im Vergleich mögen die Sorgen und Nöte hier kleiner sein als anderswo, aber sie existieren – und treten wohl am stärksten zutage, wenn Wahlen anstehen.
So wie am Sonntag, wenn Stadtrat und Gemeinderat neu besetzt werden: blue News hat bei den Parteien nachgefragt, was die Zürcherinnen und Zürcher am meisten belastet. Das sind ihre Antworten.
Wohnen
«Zürich braucht dringend mehr bezahlbare Wohnungen», schreibt die Sozialdemokratische Partei Zürich stellvertretend für das komplette Parteien-Spektrum. Diese These zieht sich von links nach rechts, nur fallen die Nuancen verschieden aus.
«Die ständig steigenden Mieten haben eine Verdrängung der einfachen Bevölkerung zur Folge», kritisiert etwa die Partei der Arbeit. «Die Mitte fordert eine nachhaltige, quartier- und sozialverträgliche Verdichtung», während die EVP das Fehlen von Familien- und Alterswohnungen besonders betont.
Die FDP kritisiert ebenfalls «steigende Mieten» und führt das auf blue-News-Nachfrage auf «Vorschriften, Bau- und Zonenordnung und Verstaatlichungsgelüste» zurück, die den Wohnungsbau bremsen würden. Die GLP schreibt in dem Zusammenhang: «Wir setzen uns für eine durchmischte Stadt für alle Budgets ein.»
Grüne, EVP und die Mitte erwähnen hierbei auch explizit die Bedeutung von Grünflächen im Stadtbild.
Verkehr
Die einen wollen Verbesserungen beim Verkehr im Allgemeinen, doch die meisten sehen im Speziellen Bedarf bei der Infrastruktur für Velofahrer. «Im Veloroutennetz gibt es zu viele gefährliche Stellen», weiss Ernst Danner, der Chef der Zürcher EVP. «Die Mitte fordert ein Mobilitätskonzept, welches alle Verkehrsteilnehmer berücksichtigt», schreibt die Zürcher Die-Mitte-Chefin Karin Weyermann.
Die Grünen sehen den Grund für die Probleme der Velofahrer und Fussgänger bei den Autos, während die SP «auf eine rasche Umsetzung der Velorouten-Initiative» pocht, die 50 Kilometer sichere Velorouten bis 2030 vorsehe. Die GLP hält es für notwendig, «eine zeitgemässe Steuerung der Verkehrsströme zu fördern und den Langsamverkehr sowie die E-Mobilität stark voranzutreiben». Die FDP mahnt, der stetige Ausbau der Mobilität «schmälert die Lebensqualität».
Klima
Einst war Klimapolitik eine Bastion der Grünen, die Zürich «so rasch wie möglich CO2-neutral» machen wollen. Doch mittlerweile engagieren sich auch andere Parteien in der Causa. So fordert die Partei der Arbeit einen «gratis öV und staatliche Förderung von erneuerbaren Energien durch die Besteuerung der Reichsten». Die Mitte setzt auf «innovative Mobilitäts- und Energiekonzepte».
Auch der Co-Präsident der GLP Zürich schreibt sich das Thema auf die Fahnen: «Wir setzen uns ein, damit wir [die Herausforderung Netto-Null 2040] mit gesellschaftlicher, sozialer und ökonomischer Verantwortung vollziehen können.» Die SP will konkret «mehr Menschen zum Umstieg vom Auto aufs Velo und den öV bringen, den Heizungsersatz vorantreiben und ein massives Solarprogramm aufgleisen».
Die FDP verfolgt einen etwas anderen Ansatz bei diesem Thema. Severin Pflüger, Präsident der Zürcher Partei, sagt: «Für die Bekämpfung des Klimawandels braucht es Investitionen und keine utopischen Ziele und Verbote.»
Mitbestimmung
Viele Parteien wollen in der einen oder anderen Weise die bürgerliche Partizipation am politischen und gesellschaftlichen Leben stärken. Ungleichheit bestehe «zwischen Mann und Frau, zwischen Reich und Arm, in den Schulen, bei der Mitbestimmung oder beim Einkommen», wissen die Grünen.
Karin Weyermann ordnet das Thema unter dem Stichwort «Polarisierung» ein und schreibt: «Die Mitte setzt sich Ziele und möchte gemeinsam Lösungen finden.» Nicolas Cavalli ergänzt für die GLP: «Wir setzen uns stark dafür ein, dass wir eine grössere Partizipation von Ausländer:innen in gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen ermöglichen können.»
Die SP bekundet, dass «in der reichen Stadt Zürich niemand durch die Maschen fallen soll», weshalb sie sich «zum Beispiel für die Beibehaltung der wirtschaftlichen Basishilfe und die Einführung der Züri City Card» einsetze. Die Partei der Arbeit fordert «echte und radikale Demokratie für alle, auch für Ausländer*innen und Jugendliche in den alltäglichen Fragen».
Schulen/Finanzen
Sowohl die städtischen Finanzen als auch die Bildung werden je zweimal in unserer blue-News-Umfrage genannt. Bei letztgenanntem Thema kritisiert die EVP «finanzielle Fehlkalkulation und ungenügende Mittagspausen bei den Tagesschulen», während die FDP fordert: «Das Niveau der Sekundarschule muss angehoben werden.»
Auch bei den Finanzen hat sich die FDP Gedanken gemacht: «Das städtische Personal wächst schneller als die Bevölkerung, und die Stadt gibt mehr für Löhne aus, als sie an Steuern einnimmt», schreibt Severin Pflüger. Die GLP findet: «Die aktuelle Pandemie-Situation belastet die Stadt in finanzieller Hinsicht: Wir setzen uns ein, damit wir langfristig stabile finanzielle Verhältnisse haben und für Start-ups und Unternehmen attraktiv bleiben.»
Und auch wenn es bei dieser Antwort von Karin Weyermann nicht direkt um städtische Einnahmen geht, fällt der Punkt dennoch eigentlich auch ins Ressort «Finanzen»: «Die Mitte fordert attraktive Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen und das produzierende Gewerbe durch Abbau städtischer Bürokratie sowie unkomplizierten und digitalisierten Zugang zu den Behörden.»
Andere Themen
Soweit also zu den fünf grössten Problemen in Zürich – auch wenn es genau genommen ja sechs Themenkomplexe sind. Viele der bloss einmal genannten Probleme gehören zu den Steckenpferden ihrer Partei – etwa die Forderung der SP nach einem 23-Franken-Mindestlohn.
Die Mitte betont als einzige Partei das Thema Gesundheit und «fordert bessere Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen für Voll- und Teilzeitarbeitende mit angemessenen Löhnen – auch in der Ausbildung und beim Wiedereinstieg – sowie den Fokus auf die Arbeit am Patienten und Verhinderung einer Akademisierung der Pflegeberufe.»
Die Partei der Arbeit engagiert sich für die Frauen: «Die Lohnungleichheit ist bei Weitem nicht die einzige Diskriminierung, welche die Frauen in unserer kapitalistischen Gesellschaft ertragen müssen: niedrigere Renten, Hürden bei der Stellensuche, die gläserne Decke auf der Karriereleiter, die Armut von alleinerziehenden Frauen.»
Hinweis der Redaktion: Die SVP der Stadt Zürich hat auf zweimalige blue-News-Anfrage nicht geantwortet.