Mutmassliche Raubkunst Kunsthaus Zürich will Herkunft seiner Werke genauer prüfen

SDA, gbi

14.3.2023 - 12:00

Werke aus der Sammlung Emil Bührle, fotografiert im Erweiterungsbau des Kunsthaus Zürich.
Werke aus der Sammlung Emil Bührle, fotografiert im Erweiterungsbau des Kunsthaus Zürich.
Archivbild: Keystone

Das Kunsthaus Zürich reagiert auf die Kontroverse um mögliche Nazi-Raubkunst. Die Verantwortlichen passen jetzt die Richtlinien an, nach denen die Herkunft von Kunstwerken geklärt wird.

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Das Kunsthaus Zürich bessert bei der sogenannten Provenienzforschung nach. Mit diesem Begriff ist die Klärung der Herkunft von Kunstwerken gemeint.

Künftig will sich das Kunsthaus am Begriff des «NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes» orientieren. Darunter fallen auch Verkäufe von Kunstwerken, die von Nationalsozialisten verfolgte Eigentümer in sicheren Drittländern wie der Schweiz getätigt haben.

Oberstes Ziel der neuen Strategie zur Provenienzforschung soll es sein, die Herkunft der Werke professionell zu prüfen und faire und gerechte Lösungen zu ermöglichen, falls es Hinweise auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut gibt. Das teilte das Kunsthaus Zürich am Dienstag mit.

Die Bandbreite der als fair und gerecht geltenden Lösungen reicht dabei von der öffentlichen Würdigung der Umstände des Entzugs bis hin zur Rückgabe des Kunstwerks an Erben des früheren Eigentümers.

Kritik an Bührle-Sammlung

Mit der neuen Strategie zur Provenienzforschung reagiert das Kunsthaus auf Kritik, die sich an den seit Oktober 2021 im Erweiterungsbau des Kunsthauses ausgestellten Werken der Sammlung Bührle entzündete.

Bei der Neuausrichtung am Begriff der NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgüter handelt es sich zudem um eine Forderung der Stadt Zürich, die im neuen Subventionsvertrag zwischen Stadt und Kunsthaus festgehalten ist.

Mit dem Schritt trägt das Kunsthaus auch einem Wandel der Wahrnehmung der Raubkunst-Problematik im öffentlichen Diskurs Rechnung. Unter «NS-Raubkunst» wurden ursprünglich nur Kulturgüter verstanden, die die Nationalsozialisten den zumeist jüdischen Eigentümern direkt entzogen haben.

Auch «Fluchtgut» kann problematisch sein

Im Bergier-Bericht von 2002 wiederum war unter anderem von «Fluchtgut» die Rede. Damit waren Kunstwerke gemeint, die von ihren Eigentümern in einem sicheren Drittstaat wie der Schweiz verkauft wurden. Im Hinblick auf Rückgabe- und Entschädigungsfragen galten für Fluchtgut andere Massstäbe als für Raubkunst.

Der Begriff des NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts umfasst inhaltlich sowohl Raubkunst im engeren Sinne als auch Fluchtgut. Damit sollen die schwierigen Umstände, unter denen Verfolgte sich, ihre Familien und ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen versuchten, umfassender berücksichtigt werden.

Durch diese inhaltlich Ausweitung steigt auch die Anzahl der Kunstwerke, auf die Erben von früheren Eigentümern allenfalls Ansprüche erheben können.

Kunsthaus will Expertenkommission einsetzen

Das Kunsthaus unterstützt laut Mitteilung die Bemühungen, auf nationaler Ebene eine unabhängige Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter einzurichten.

Bis dieses Gremium seine Arbeit aufnimmt, will das Kunsthaus selber eine internationale Expertenkommission etablieren, die das Kunsthaus bei der Beurteilung eigener Forschungsergebnisse unterstützt. Diese Kommission soll bis im Herbst dieses Jahres eingerichtet sein.