Prozess Sich filmender Raser kommt in Zürich mit bedingten Strafen davon

olgr, sda

7.7.2022 - 10:42

Ein 31-Jähriger gab mehrmals viel zu viel Gas und filmte sich dabei. Am Donnerstag musste er sich vor dem Zürcher Bezirksgericht verantworten. (Symbolbild)
Ein 31-Jähriger gab mehrmals viel zu viel Gas und filmte sich dabei. Am Donnerstag musste er sich vor dem Zürcher Bezirksgericht verantworten. (Symbolbild)
Keystone

Das Zürcher Bezirksgericht hat einen 31-Jährigen wegen zahlreicher Verkehrsdelikte schuldig gesprochen: Eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und eine Geldstrafe von sechs Monaten schob es am Donnerstag zwar zugunsten einer Probezeit von zwei Jahren bedingt auf – doch der Raser muss Verfahrenskosten von insgesamt über 30'000 Franken zahlen.

7.7.2022 - 10:42

Wiederholt gab der Beschuldigte Gas, viel zu viel Gas. Etwa im Oktober 2017 auf der Fellenbergstrasse mitten in Zürich. Er beschleunigte in der Tempo-50-Zone auf 116 km/h. Von einem «Tempoexzess in einer Wohnsiedlung» schreibt der auf Raserdelikte spezialisierte Staatsanwalt Jürg Boll in seiner Anklage dazu.

Tempo 230 und nur eine Hand am Steuer

Über die Autobahn A2 im Tessin bretterte der Mann mit Tempo 230. Sein Tacho, den er manipuliert hatte, zeigte dabei 320 km/h an. Auf der Autobahn A1L bei Zürich, auf der ein Tempolimit von 80 km/h gilt, beschleunigte er auf 149 km/h.

Dort verlor er bei einem Spurwechsel die Kontrolle über sein Auto. Dieses geriet ins Schleudern und kollidierte mit der Leitplanke. Dabei verfehlte es einen Motorradfahrer «nur um knappe zehn Meter».

Zweimal kommt die Zürcher Europabrücke in der Anklageschrift vor. Einmal drückte der Kosovare dort heftig aufs Gaspedal (130 km/h statt 50 km/h). Ein andermal fuhr er zwar nur mit Tempo 40 bis 50 darüber – doch hielt er seinen linken Fuss durch das Fahrerfenster. Zudem hatte er nur die linke Hand am Steuer – in der anderen hielt er sein Handy, mit dem er sich wie bei anderen Fahrten selber filmte.

«Es hätte viel passieren können»

Dadurch sei die Gefahr von Unfällen mit Schwerverletzten oder Todesopfern extrem hoch gewesen, heisst es in der Anklage. Die Richterin hielt ebenfalls fest, dass nur «mit sehr viel Glück» nichts passiert sei. Ja, dem sei so, meinte auch der Beschuldigte vor dem Bezirksgericht. «Es hätte viel passieren können.»

Er sei aber kein Raser, hielt der Mann fest, der bei den Delikten 26-, 27-jährig und bereits Familienvater war. Es seien Fehler gewesen, er würde sie rückgängig machen, wenn das möglich wäre.

Die Filme habe er nur für sich gemacht, nicht zum angeben, beteuerte er weiter. «Sie verstehen, dass es mir schwer fällt, das zu glauben», entgegnete die Richterin und wies darauf hin, dass er extra den Tacho manipuliert habe, um angeblich noch schneller unterwegs zu sein.

Gerade noch eine bedingte Strafe

Der Beschuldigte hatte die ihm vorgeworfenen sieben Strassenverkehrsdelikte – wie auch den Vorwurf von Gewaltdarstellungen wegen eines weitergeleiteten Videos eines Suizids – im Rahmen der Untersuchung eingestanden.

Er und Staatsanwalt Boll hatten sich auf ein abgekürztes Verfahren geeinigt und hatten einen Urteilsvorschlag ausgearbeitet. Mit der Freiheitsstrafe von zwei Jahren blieb dieser gerade noch bei einer bedingten Strafe. Denn bei mehr als zwei Jahren muss zwingend eine (teil-)bedingte Strafe verhängt werden.

Nach einer einstündigen Beratung bestätigte das Gericht den Urteilsvorschlag. Angesichts der Taten, darunter fünf Raserdelikte, die einzeln je mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe bedeutet hätten, wäre an sich auch eine höhere Strafe möglich gewesen, hielt die Richterin fest. Sie sprach von einer solchen von 40 bis 44 Monaten.

Das Verfahren habe aber lange gedauert, womit das Beschleunigungsgebot verletzt worden sei, hielt sie weiter fest. Zudem lägen die Taten viereinhalb Jahre zurück, und der Beschuldigte habe sich seither nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Deshalb könne dem Urteilsvorschlag zugestimmt werden.

Happige Kosten

Trotz der bedingt ausgesprochenen Freiheits- und Geldstrafen komme der Mann nicht mit einem blossen blauen Auge davon, hielt die Richterin weiter fest.

Denn der Mann, der mit einem Teilzeitjob und Gelegenheitsarbeiten knapp 3000 Franken verdient und monatlich steigende Schulden von derzeit rund 20'000 Franken hat, muss die Verfahrenskosten von über 30'000 Franken tragen. Alleine die Auslagen für das Abschleppen und Aufbewahren des Autos betragen 20'000 Franken.

Welche Konsequenzen das Urteil für ihn hat, konnte der bald vierfache Familienvater der Richterin nicht sagen. «Das Ganze hat mich aber viel gekostet», meinte er. Ein Einbürgerungsverfahren sei unter anderem abgebrochen worden. Und seit mehr als zwei Jahren sei sein Führerausweis weg; das mache es schwierig, Arbeit zu finden.

Das im abgekürzten Verfahren ergangene Urteil kann nicht angefochten werden.

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