Bundesliga-Exporte Marinko Jurendic und Heinz Moser wirken in Augsburg mit Erfolg

sfy, sda

3.4.2024 - 04:00

Marinko Jurendic und Heinz Moser haben im Fussball schon einiges bewegt. Nun wirken sie als Sportchef respektive Leiter Entwicklung erfolgreich beim Bundesligisten FC Augsburg.

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Marinko Jurendic hat einen steilen Aufstieg hinter sich. Vor vier Jahren wirkte er beim FC Zürich noch als U21-Coach und Stürmertrainer der ersten Mannschaft. In einem Trainingslager in der Türkei gefällt Heliane Canepa, der Frau des Präsidenten Ancillo Canepa, wie der 46-Jährige arbeitet. Er wird zu einem Gespräch eingeladen, bei dem ihm die Stelle als Sportchef beim FCZ angeboten wird.

Jurendic nimmt sich ein paar Tage Bedenkzeit, dann sagt er unter der Bedingung zu, dass er Zeit zum Einarbeiten brauche, um die Kaderplanung vorbereiten zu können, da zu diesem Zeitpunkt die Saisonvorbereitung bereits in vollem Gang war. Diese erhält er, 2022 werden die Zürcher überraschend Schweizer Meister. Augsburg wird auf Jurendic aufmerksam und er nimmt auf diese Saison hin die Herausforderung Bundesliga an.

Jurendic, geboren 1977, ist in einem kleinen Dorf im Norden Bosniens an der kroatischen Grenze aufgewachsen. 1979 zog zuerst die Mutter in die Schweiz, dann der Vater, er blieb mit dem Bruder bei der Grossmutter. 1986 folgte er den Eltern. Bis 1990 ging er noch zur Grossmutter in die Ferien, dann wurden die dortigen Ländereien im Krieg zerstört. Letztmals war er 2005 dort.

Dank Fussball gut integriert

In der Schweiz verlief die Integration dank des Fussballs gut. Jurendic schloss sich dem FC Ebikon an. Allerdings kommt er als Spieler nicht über die zweithöchste Liga hinaus, wobei er, bevor er Profi wurde, zuerst das Lehrerseminar beendete. Nach der Karriere studierte er, ohne abzuschliessen, Jus und BWL. Eine Zeitlang arbeitete Jurendic in der Bildungs- und Sozialpolitik für den Unternehmer und Politiker Otto Ineichen. Dann half er Schulabgängern mit schwierigen Berufsaussichten.

Der Fussball blieb aber stets seine Leidenschaft. Von 2008 bis 2010 wirkte er als Stürmertrainer im Nachwuchs des FC Luzern, von 2009 bis 2017 ist er in der gleichen Funktion für den Schweizer Fussballverband tätig. Beim SFV ist er ab 2012 Assistent des Technischen Direktors und für die Entwicklung der neuen Spiel- und Ausbildungsphilosophie zuständig. Während drei Jahren trainiert er nebenberuflich den SC Kriens, bevor er 2017 das Traineramt beim FC Aarau übernimmt. Im März 2018 wird er entlassen und schliesst sich dem FCZ an. Jurendics Rucksack ist also mehr als gut gefüllt für die Herausforderungen als Sportchef.

Schon lange schätzen gelernt

Zum SFV holte ihn Heinz Moser, der insgesamt 15 Jahre für den Verband arbeitete. Die beiden hatten sich bei der gemeinsamen Zeit als Spieler beim FC Thun im Jahr 2000 kennen- und schätzen gelernt. Der 56-jährige Moser folgte Jurendic 2020 zu Zürich und arbeitete dort als Leiter Entwicklung. «Für mich war klar, dass ich wieder im Klubfussball arbeiten will, wenn ein interessantes Angebot kommt», erzählt Moser im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Nun sind er und Jurendic auch in Augsburg vereint.

Eine der ersten Aufgaben von Jurendic beim Bundesligisten war, einen neuen Trainer zu suchen. Nach nur fünf Punkten aus den ersten sieben Saisonspielen wurde Enrico Maassen entlassen. Die Wahl fiel auf den Dänen Jess Thorup, der es geschafft hat, dass die Spieler wieder «die Augsburger Tugenden auf den Platz bringen», wie sich Jurendic ausdrückt. «Wenn die Zuschauer sehen, dass jeder alles gibt und füreinander gekämpft wird, dann verzeihen sie Fehler oder Niederlagen. Wir zeigen einen Fussball mit hoher Intensität, sind unter anderem nun eine der laufstärksten Mannschaften der Liga.»

Beim Scouting ist für Jurendic die Datenanalyse «ein wichtiger Part. Ich diskutiere gerne kontrovers, habe aber auch gerne Fakten, die im heutigen Fussball elementar wichtig sind. Dann kannst du in die Tiefe gehen und Themen differenzierter betrachten.» Wichtig ist ihm auch, einen individuellen Talentweg aufzubauen, um eine optimale Entwicklung der Jungen zu ermöglichen. Ausgeliehene Spieler verschwinden bei ihm nicht vom Radar.

«Ich versuche, nahe an den Spielern, dem Staff und den Mitarbeiter zu sein», sagt Jurendic. «Wir erwarten natürlich Leistung von ihnen, aber wir sind alle Menschen, die gute und weniger gute Phasen erleben. Von daher gilt es, auf den Einzelnen einzugehen, ihn abzuholen und auch eine gewisse Geduld aufzubringen.»

Resultatorientierte Ausbildung fehl am Platz

Augsburg verfügt über ein eigenes Nachwuchs-Leistungszentrum. Alle Vereine mit einem solchen profitieren ab der kommenden Saison in neuen Nachwuchsligen für U17- und U19-Junioren davon, dass sie nicht mehr absteigen können. Jurendic und Moser befürworten das; resultatorientierte Ausbildung ist für beide «völlig fehl am Platz», da gerade auf der Ebene der jüngeren Nachwuchskategorien retardierte Spieler, also jene, die sich körperlich später entwickeln, weniger gefördert werden und aus dem System fallen.

Dass das nicht der Fall ist, aus diesem Grund haben Jurendic und Moser damals beim SFV dementsprechende Gefässe mitgestaltet, damit jeder seiner körperlichen Entwicklung entsprechend gefördert wird. Moser sagt: «Mit der individuellen Förderung hat man die Möglichkeit, Schwächen so weit auszumerzen, dass sie für die jeweilige Position auf dem Feld nicht zu einem Hindernis werden.» Noch entscheidender findet er aber, die Stärken gezielt zu stärken. «Irgendetwas muss ein Spieler aussergewöhnlich gut können, sonst wird es schwierig, es ganz nach oben zu schaffen», erklärt Moser.

Ein Schlüsselfaktor bei der Ausbildung ist für ihn zudem die Persönlichkeitsentwicklung. «Wenn man über Talent verfügt und dieses gut nutzt, werden die ersten Etappen auf den unteren Ausbildungsstufen mühelos genommen. Der Weg wird aber nach oben immer steiniger und die Konkurrenz immer grösser. Dann braucht es Wille, Durchhaltevermögen, Resilienz. Deshalb sollte der Weg zu mentaler Stärke eine noch grössere Bedeutung bei der Ausbildung der Spieler einnehmen.»

Mehr Möglichkeiten

Augsburg reizte Moser auch deshalb, weil die Infrastruktur besser und die Möglichkeiten grösser sind als beim FC Zürich. «Der Fussball wird hier schon anders gelebt», erzählt Moser. «Das mal zu erleben, aktiv bei einem Bundesligaverein mitzugestalten, war natürlich ein grosser Ansporn.»

Seit dem Aufstieg 2012 gelang es Augsburg «nur» zweimal, eine Saison auf einem einstelligen Rang zu beenden – 2014 (8.) und 2015 (5.). Der 5. Platz garantierte die Teilnahme an der Europa League mit Liverpool im Sechzehntelfinal als Gegner. Viele Bilder im Stadion erinnern an diese Zeit und sind auch für die Jurendic und Moser Inspiration. Der Weg scheint zu stimmen, Augsburg hat in den letzten fünf Partien 13 Punkte geholt und belegt Platz 7. Der Traum von Europa lebt.