Zwölf selbsternannte Top-Klubs gaben vor wenigen Monaten bekannt, statt an der Champions League an der neugegründeten Super League teilnehmen zu wollen. Warum man dieses Mittel wählen will, kann man an den aktuellen Resultaten ablesen. Eine Analyse.
Die Aufregung in der Fussballszene war gross, als die Bombe im April platzte. «Zwölf von Europas führenden Fussballvereinen haben sich darauf verständigt, einen neuen Wettbewerb zu etablieren, die Super League», hiess es in einem von allen zwölf Klubs verbreiteten Schreiben.
Als sogenannte führende Klubs sahen sich Arsenal, Manchester United, Manchester City, Liverpool, Tottenham Hotspur und Chelsea aus England, Inter, Milan und Juventus Turin aus Italien und die spanischen Vertreter Real Madrid, Atlético und Barcelona.
An der «Super League» sollten insgesamt 20 Vereine teilnehmen. Nach heftigen Protesten aus allen Richtungen musste das Projekt bald öffentlich beerdigt werden. Aber die Idee ist beileibe nicht verschwunden aus vielen Funktionärsköpfen – die Büchse der Pandora wurde geöffnet. Doch sind diese selbsternannten Top-Klubs auch wirklich sportlich so toll, wie sie sich selber sehen?
Die Länderspielpause ist ein passender Zeitpunkt, um diese These zu untersuchen.
England
Chelsea führt die Tabelle in der Premier League mit 26 Punkten aus elf Spielen an. Mit drei Punkten Rückstand ist Manchester City erster Verfolger. Auf den dritten Rang vorgeschoben hat sich West Ham, nachdem man Liverpool im Direktduell mit 3:2 bodigte. Immerhin rangiert das Team von Jürgen Klopp noch auf Rang 4, was noch für die Teilnahme in der Champions League reichen würde.
Dahinter folgen Arsenal und Manchester United, die also auf Kurs Europa League sind. Noch viel düsterer sieht die Lage bei Tottenham aus. Die Spurs tauschten Anfang November den Trainer aus, um die sportliche Talfahrt zu stoppen. Momentan liegen die Nordlondoner nur auf Platz 9.
Fazit – 3 von 6: Die Hälfte der Gründungsklubs, also drei Klubs wären bei aktuellem Stand nicht für die Champions League qualifiziert.
Italien
An der Spitze sind derzeit Napoli und Milan – beide Klubs haben nach zwölf Spielen 32 Punkte. Titelverteidiger Inter musste aufgrund eigener finanzieller Probleme einen Schritt zurück machen, was sich auch sportlich auswirkte.
Immerhin liegen die Nerazzurri auf dem dritten Platz (25 Punkte), drei Zähler vor Atalanta Bergamo. Erst auf Rang acht findet man Rekordmeister Juventus wieder. Die alte Dame hat bisher 18 Punkte gesammelt – eine traurige (Zwischen-)Bilanz für den einstigen Dominator.
Fazit – 2 von 3: Milan und Inter schielen auf die Königsklasse, während Juve sich aktuell nicht mal für die Conference League qualifizieren würde.
Spanien
Real Sociedad darf sich aktuell Leader in LaLiga nennen. Die Basken haben nach 13 Spielen 28 Zähler, dahinter lauern mit einem Spiel weniger Real Madrid und Sevilla (je 27 Punkte). Auf dem vierten Platz liegt mit 23 Punkten Atlético Madrid.
Im Niemandsland der Tabelle findet sich der FC Barcelona wieder. Mit 17 Punkten liegt das neu von Klublegende Xavi trainierte Team auf Rang 10.
Fazit – 2 von 3: Real darf auch dieses Jahr die Königsklasse einplanen. Die Truppe von Diego Simeone hingegen muss sich steigern, wenn man wieder bei den Grossen mitspielen will. Gar fast aussichtslos scheint die Lage derzeit bei Barça.
Fazit
Nach aktuellem Stand wären nur sieben von den zwölf selbsternannten «führenden Klubs» für die Champions League qualifiziert. Während zwei Vereine immerhin noch an der Europa League teilnehmen könnten, würden gleich drei (!) Klubs heuer gar nicht in einem europäischen Wettbewerb mitspielen können. Ironischerweise sind mit Barça und Juve gleich zwei der drei grossen (neben Real Madrid) treibenden Kräfte darunter. Diese Horror-Bilanz ist wohl für viele der beteiligten Klubs ein wesentlicher Grund, warum man sich so dringend abspalten will.
Denn die Super League würde es all diesen «grossen» Klubs erlauben, ihre sportliche Legitimation durch den geschlossenen Wettbewerb alleine zu ermöglichen. Mit der zusätzlichen Versicherung könnten die Klubs einfach sorgenlos mit den grosszügig alimentierten Einnahmen der neuen Super League budgetieren.
In Deutschland und Frankreich führen mit Bayern München und PSG zwei Vereine ihre Meisterschaft an, welche eine Beteiligung an der «Super League» kategorisch ausschlossen. Die sogenannten Spitzenklubs sollten sich vielleicht mal in Erinnerung rufen, wie weit die Macher der Champions League, sprich die Uefa, ihnen in den letzten drei Jahrzehnten schon entgegenkam. Und es auch trotz – oder gerade wegen des Damoklesschwerts einer Abspaltung – der Drohungen auch zukünftig tun wird.
Der Wettbewerb stand mal unter der Prämisse, dass sich nur die jeweiligen Landesmeister messen. Ab 1997 durften dann auch die Vizemeister mittun, ehe zwei Jahre später gar vier Mannschaften eines Verbandes zugelassen wurden. Vielleicht sollten die Top-Klubs mal ehrfürchtig einen Blick in die Vergangenheit werfen – wenn man die Regeln aus der Gründungsphase der Champions League nehmen würde, wäre aktuell mit Chelsea gerade mal ein Team für die Königsklasse qualifiziert. Ein Gedanke, der bei einem neutralen Beobachter sicher Demut aufkommen lassen würde.