Der kleine FC Midtjylland trifft am Dienstagabend auf das grosse Liverpool. Der dänische Meister ist für die Reds in vielen Sachen selber ein Vorbild.
Liverpool-Trainer Jürgen Klopp lobt vor dem Duell in der Champions League den Gegner in den allerhöchsten Tönen: Er verfolge Midtjylland schon seit längerer Zeit und wisse, dass die Mannschaft über verschiedene Stile verfüge. «Sie haben einen klaren Plan», so der 53-Jährige.
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Di 27.10. 19:55 - 01:00 ∙ blue Sport Live ∙ Live Fussball: FC Liverpool - FC Midtjylland
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In der Tat hat der Klub aus der 50'000-Einwohner-Stadt ein Konzept, das in der Fussballwelt wohl einmalig ist. Inspiriert wurde der Verein aber von aussen. Einerseits war da Multi-Millionär Matthew Benham, der sein Vermögen dank gezielter Analysen mit Sportwetten gemacht hatte, andererseits der Däne Rasmus Ankersen, der selbst Fussball spielte und ein Buch mit dem Titel «Gold Mine Effect» veröffentlichte, wo er über das Auffinden und Entwicklung von Sporttalenten schrieb.
Das Duo vereinte die gleiche Sichtweise: Einen Fussballverein rein auf der Grundlage von statistischen Modellen zu führen. Sprich bei Transfers oder Trainingslehre sich nicht von emotionalen Gefühlen leiten zu lassen, sondern mathematische Faktoren als Basis zu nehmen. Die Idee dazu stammt aus einer anderen Sportart. Das Baseball-Team der Oakland Athletics verblüffte dank «Sabermetrics» die Konkurrenz mit ihren Erfolgen, obwohl ihre Spieler weitgehend unbekannt waren in der Szene.
Film/Drama ∙ US 2011 ∙ blue Video
Einstudierte Standards als Erfolgswaffe
Auch im Fussball funktioniert der Ansatz. So wird bei den «Ulvene» (Wölfe) extrem auf die Standards geachtet. In ganz Europa wurde untersucht, welche Faktoren bei Freistössen und Eckbällen zum Torerfolg führen. Danach tüftelte man spezielle Varianten aus. Die Profis bekamen wie beim American Football ein Playbook zum Auswendiglernen.
Das Resultat war seit Beginn des Experiments beeindruckend. Letzte Saison erzielte man so 49 Prozent aller Tore, wie Captain Erik Sviatchenko im «Guardian» ausführt. Midtjylland gehört seit mehreren Jahren in diesen Kategorien zu den besten Klubs in Europa. Dazu legten sie auch ihr Augenmerk auf vermeintlich unwichtige Details. Dank ihres Einwurftrainers Thomas Grönnemark verbesserten sie sich etwa dort markant. Liverpool-Coach Jürgen Klopp engagierte den Dänen schliesslich 2018 für sein Team. Auch bei den Reds ging danach die Quote steil hoch. Kleine aber feine Details, die im modernen Fussball entscheiden können.
Andere Parameter als sonst in der Branche
Dafür wird im Klub auf andere Statistiken verzichtet, wie ein Scout gegenüber «goal» erläutert. «Die Passquote eines Spielers oder seine Zahlen im Zweikampf sagen nichts aus über seine reale Qualität.» Dafür wird auf KPI's abgestellt: «Key Performance Indikatoren sind Faktoren, die uns helfen, jeden Spieler nach seiner wahren Leistung zu analysieren.» Sprich Abschlüsse im Strafraum, Pässe, die Tore einleiten, Kopfbälle, die direkt Szenen bereinigen. Ein Weitschuss wird in Jütland hingegen nicht gern gesehen, weil die Wahrscheinlichkeit für einen Torerfolg schlicht marginal ist.
Bei einem Neuzugang wird ein Verhaltensprofil angelegt, um die Eingewöhnungszeit zu verkürzen. «Wir können unsere Gegner nicht mit finanziellen Mitteln schlagen, also müssen wir schlauer sein als sie», meinte Ankersen einst.
Dem innovativen Konzept zum Opfer gefallen ist auch YB. Der Schweizer Meister scheiterte in der Champions-League-Qualifikation in der dritten Runde glatt mit 0:3 an den Dänen. Dafür darf sich die Fussballfachwelt fragen, ob das Projekt auch gegen übermächtige Gegner wie Liverpool funktioniert. Im Auftaktspiel gegen Atalanta Bergamo gab es in der Königsklasse gleich eine 0:4-Klatsche. Doch es würde verwundern, falls sich der Underdog für heute Dienstagabend nicht einen speziellen Schlachtplan ausgeheckt hat, wie man die Angriffsmaschinerie der Reds stoppen will.