Der heimliche Chelsea-Star N’Golo Kanté – man muss ihn einfach lieben

Von Jan Arnet, Porto

30.5.2021

Hoch soll er leben: N'Golo Kante wird von seinen Mitspielern gefeiert.
Hoch soll er leben: N'Golo Kante wird von seinen Mitspielern gefeiert.
Bild: Keystone

Mit dem Champions-League-Titel setzt N’Golo Kanté seiner märchenhaften Karriere die Krone auf. Nach dem 1:0 über Man City wird er als Spieler des Spiels ausgezeichnet. Der schüchterne Franzose ist nicht der Mann für die Tore oder Assists – und doch der Schlüssel zum Erfolg des FC Chelsea.

Von Jan Arnet, Porto

30.5.2021

«Er ist der vielleicht beste Mittelfeldspieler der letzten vier, fünf Jahre», sagte der französische Journalist und Buchautor Alexis Menuge kürzlich über N’Golo Kanté. Hat er recht? Es kommt darauf an, woran man die Besten misst. Wirft man einen Blick auf die Skorerwerte des 30-Jährigen, kommt man kaum auf die Idee, dass der Franzose mit einem Kevin de Bruyne oder Bruno Fernandes mithalten könnte.

Doch es gibt kaum einen anderen Spieler, der für den Gegner so unangenehm ist wie der 1,68 Meter kleine schüchterne Mann aus Paris. Wohl keiner weiss besser als er, wie man dem Gegenspieler den Ball abluchsen kann. Wie ein Staubsauger zieht er das Spielgerät förmlich an sich und macht jeden Raum zu. Oder wie Gary Lineker einst sagte: «Zwei Drittel der Erde werden von Wasser abgedeckt, das übrige Drittel von N’Golo Kanté.»

Kantés Weltklasse-Tackling gegen de Bruyne

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29.05.2021

Abgefeiert werden in den Medien und bei den Fans aber oft andere. Kai Havertz etwa, der 21-jährige Final-Siegtorschütze für Chelsea. Oder Mason Mount, 22-jähriger Shootingstar und einer der Top-Skorer der «Blues» in dieser Saison. Mount wurde bei Chelsea ausgebildet, schaffte vom Nachwuchs den Sprung zu den Profis. Kanté ist einen ganz anderen Weg gegangen. Als er 22 Jahre alt war, spielte er noch bei US Boulogne in der 3. Liga Frankreichs. Man sagt, der kleingewachsene Abräumer sei schon damals zu schüchtern gewesen, habe zu selten seine Ellbogen ausgefahren und so zu wenig auf sich aufmerksam gemacht – ansonsten hätte er schon viel früher den Weg in eine Top-Liga gefunden.

Doch mit seinen Leistungen auf dem Platz konnte Kanté dennoch stets überzeugen. So verpflichtete Zweitligist Caen den Sechser im Jahr 2013, ablösefrei notabene – es war der Anfang seines steilen Aufstiegs. Gleich im ersten Jahr stieg Kanté mit Caen in die Ligue 1 auf und verhalf dem Team mit seinem ausserordentlichen Talent zum Klassenerhalt.



Zu schüchtern für den Pokal

2015 folgte der Wechsel in die Premier League zu Leicester City. Die 9 Millionen Euro Ablöse empfanden nicht wenige als zu viel, denn noch immer war N’Golo Kanté nur Experten ein Begriff. Doch das sollte sich bald ändern, Claudio Ranieri bewies mit der Verpflichtung des damals 24-Jährigen ein goldenes Händchen. Auch – oder eher vor allem – dank Kanté gewann Leicester nur wenige Monate später sensationell den Meistertitel. Riyad Mahrez belieferte Torgarant Jamie Vardy mit Assists – doch der heimliche Star hiess schon damals N’Golo Kanté.

Und so legte Chelsea im Sommer 2016 35,8 Millionen Euro auf den Tisch. Gut investiertes Geld, wie sich spätestens zwölf Monate später zeigen sollte: Die «Blues» holten den Meistertitel und Kanté wurde zu Frankreichs Fussballer des Jahres gekürt. Der Höhepunkt in der Laufbahn des Mittelfeldspielers folgte ein Jahr später, als Frankreich Weltmeister wurde – Kanté stand in allen sieben WM-Spielen von Anfang an auf dem Platz. Der schüchterne Mittelfeldspieler traute sich nach dem Titelgewinn aber tatsächlich nicht, die Kollegen zu fragen, ob er den WM-Pokal auch mal in die Höhe stemmen dürfe – trotz seiner herausragenden Leistungen. Auch beim Champions-League-Triumph in diesem Jahr hat er eine entscheidende Rolle eingenommen. 

Diesmal feiert Kanté – auch auf Geheiss der Kollegen – an vorderster Front mit.
Diesmal feiert Kanté – auch auf Geheiss der Kollegen – an vorderster Front mit.
Bild: Getty Images

N’Golo Kanté – ein Erfolgsgarant, der seinesgleichen sucht. Und trotz all den Titeln, all den Lobeshymnen und all den verdienten Millionen verlor er nie die Bodenständigkeit. Noch immer fährt er im Mini Cooper zum Training. Einmal besuchte er einen Fan, der ihn in der Moschee erkannte und ihn zum Curry essen und FIFA-spielen einlud. Der Weltmeister von 2018 wehrte sich sogar gegen Steuertricks, mit dem Chelsea sein Gehalt zahlen wollte – dafür nahm er Verluste in sechsstelliger Höhe hin.

Es gibt wohl wirklich niemanden, der diesem Mann den Erfolg nicht gönnt. Diesen Ngolo Kanté muss man einfach lieben.

Daumen hoch: Kanté wird nach dem Champions-League-Final zum Spieler des Spiels gekürt.
Daumen hoch: Kanté wird nach dem Champions-League-Final zum Spieler des Spiels gekürt.
Bild: Getty Images
Man City – Chelsea 0:1

Man City – Chelsea 0:1

Dank des goldenen Treffers von Kai Havertz kürt sich Chelsea London zum Sieger der diesjährigen Champions-League-Kampagne, während Pep Guardiola und Man City einmal mehr leer ausgehen.

29.05.2021