«Gefährliche Situation» Wenn der VAR grösser ist als der Schiedsrichter

Von Luca Betschart

15.3.2023

Meier: «Wenn das der Schiri wirklich sagte, muss die UEFA über die Bücher»

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15.03.2023

Man City schiesst RB Leipzig mit einer 7:0-Klatsche aus der Champions League. Trotz des klaren Verdikts ist der VAR aber auch nach dieser Partie ein heiss diskutiertes Thema. Marco Streller macht sich Sorgen.

Von Luca Betschart

Das Achtelfinal-Rückspiel zwischen Manchester City und RB Leipzig könnte nicht eindeutiger verlaufen. Bereits nach 57 Minuten führen die Citizens mit 6:0, Leipzig hat an diesem Abend nicht den Hauch einer Chance. Doch die City-Gala vor Heimpublikum hat einen Schönheitsfehler, denn der 1:0-Führungstreffer per Penalty kommt nur unter gütiger Mithilfe des VAR zustande.

Aus dem Nichts greift der Videoassistent wegen eines angeblichen Handspiels von Leipzigs Benjamin Henrichs ein. Schiedsrichter Slavko Vincic schaut sich die Szene auf dem Monitor an und entscheidet prompt auf Elfmeter. «Dass man hier eingreift, ist ein Desaster», macht Marco Streller seinem Ärger Luft und kritisiert in erster Linie den VAR: «Ich habe manchmal das Gefühl, dass diejenigen, die das in diesen Keller unten bewerten, selber nie Fussball gespielt haben. Das sind Bewegungen, die für uns, die den Sport wirklich gemacht haben, natürlich sind.»

Das zeigen auch die Reaktionen und ausbleibende Reklamationen der 22 Spieler auf dem Platz. «Wenn es für alle auf dem Feld eine natürliche Bewegung ist und niemand reklamiert, wieso sollte dann hier etwas sein? Darauf kann man gehen», meint Streller.

Meier wünscht sich «Overrule»

Ex-Schiedsrichter Meier stimmt Streller zu und fügt an: «Wenn die Leute, die dahintersetzen, das Fussballverständnis nicht haben, dann kommen genau solche Entscheidungen raus. Ich habe immer gesagt: Wir müssen mit ehemaligen Profis, mit Leuten wie Marco Streller, den Schiris das Fussballverständnis beibringen. Dann haben wir auch die richtigen Entscheide.»

Wieso sich Schiedsrichter Vincic in seiner Entscheidung so sehr beeinflussen lässt, kann Meier hingegen nicht verstehen. «Ich erwarte von einem Schiedsrichter seiner Qualität, dass er auch einmal overruled. Dass er sagt: Nein, lieber VAR, der Ball ging an die Hand, aber für mich ist das keine Absicht und ich gebe den Elfmeter nicht.» Das scheint allerdings leichter gesagt als getan. Nur in Ausnahmefällen wird ein Schiedsrichter vom VAR vor den Monitor gebeten und bleibt dann bei seiner ursprünglichen Entscheidung.

Leipzig-Unglücksrabe Benjamin Henrichs macht nach dem Schlusspfiff im Interview klar, dass man nach einer 0:7-Pleite nicht über den Schiedsrichter reden kann. Der Unparteiische habe ihm aber gesagt, dass er selbst das Handspiel nicht gesehen habe. «Er hat gesagt, das sei der Videobeweis, er könne nichts dafür. Er sagte mir selber, dass er es nicht gesehen hat, und entscheidet trotzdem so.» Sprich: Nicht Vincic auf dem Platz hat auf Penalty entschieden, sondern sein «Assistent» im Video-Keller.

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«Dann brauchen wir keine Schiedsrichter mehr»

«Eine Katastrophe-Aussage», reagiert Meier verärgert auf Henrichs Schilderungen. «Wenn das der Schiedsrichter wirklich so gesagt hat, muss die UEFA über die Bücher gehen. Wenn der VAR in solchen Entscheiden über dem Schiedsrichter steht, dann können wir aufhören. Dann brauchen wir keinen Schiedsrichter mehr auf dem Platz. Das geht nicht.»

In eine ähnliche Richtung zielt zuletzt auch FCB-Coach Heiko Vogel, der nach dem höchst umstrittenen VAR-Entscheid im Spiel gegen St. Gallen im Interview mit blue Sport sagt: «Mir tut der Schiedsrichter leid. Ich finde das Eingreifen des VAR unfassbar despektierlich. (…) Da muss sich der VAR mal Gedanken machen, ob das nicht despektierlich gegen die eigenen Männer ist.»

Vogel: «Hätten den Sieg verdient»

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Wird die Video-Unterstützung so eingesetzt, ist sie für die Schiedsrichter auf dem Platz womöglich mehr hinderlich als behilflich. Nachvollziehbare oder gar korrekte Entscheide werden zigfach in Wiederholungen neu beurteilt – und schlussendlich zu Unrecht umgestossen. Trägt das unter dem Strich nicht zu einer Verunsicherung der Unparteiischen bei?

«Wir diskutieren extrem viel über den VAR, der eigentlich eine Hilfe sein sollte», macht Streller klar. Und der blue Fussball-Experte warnt: «Man muss vorsichtig sein, dass man nicht plötzlich die Fans verscheucht. Ich finde, es ist eine gefährliche Situation.»

Manchester City – Leipzig 7:0

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Champions League, Achtelfinal-Rückspiel

14.03.2023