Kommentar Fasel als Hofnarr eines Diktators – auch der Schweizer Hockeyverband ohne Rückgrat

Von Syl Battistuzzi

12.1.2021

IIHF-Präsident Fasel umarmt Machthaber Lukaschenko – und erntet dafür harsche Kritik

IIHF-Präsident Fasel umarmt Machthaber Lukaschenko – und erntet dafür harsche Kritik

12.01.2021

Ein herzliches Treffen von René Fasel und dem weissrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in Minsk im Hinblick auf die im zerrütteten Land geplante Eishockey-WM stösst bei vielen Leuten sauer auf. Zurecht. Ein Kommentar.

Fasel, der höchste Amtsträger des internationalen Eishockeyverband (IIHF), wollte bereits Anfang Dezember dem weissrussischen Machthaber Alexander Lukaschenko seine Aufwartung machen. Doch dann wurde der Freiburger positiv auf das Coronavirus getestet. 

Sowas wäre Lukaschenko sicher niemals passiert. Die Gefahr einer Ansteckung hält er für ein Märchen. Beim grossen Ausbruch der Pandemie im letzten März spielte Lukaschenko in der Hauptstadt Minsk munter Eishockey. «Hier gibt es keinerlei Viren.» Er habe nicht bemerkt, dass sie herumfliegen. «Das ist ein Kühlschrank. (...) Sport, besonders Eissport, ist die beste Antiviren-Medizin.»

Gegen die Verbreitung empfahl er scherzend den Konsum von Wodka, Saunagänge oder landwirtschaftliche Tätigkeiten wie Traktorfahren. Auch für die Fussballer gab es keine Einschränkungen. Während auf der ganzen Welt der Ball ruhte, setzte man in Weissrussland den Betrieb fort. Mit Zuschauern. Man wolle sich nicht vom Virus verrückt («Psychose») machen lassen. Geklappt hat es erstaunlicherweise nicht. Corona kannte keine Grenzen, wie auch der «letzte Diktator Europas» erfahren musste. Offiziell gab es natürlich nur wenige Fälle. Die Pandemie war nicht nur eine Gefahr für das marode Gesundheitssystem des Landes, sondern auch für Lukaschenko selbst. 

Trotz Corona-Pandemie: Weissrussischer Präsident spielt Eishockey

Trotz Corona-Pandemie: Weissrussischer Präsident spielt Eishockey

Die Sportwelt ruht weitgehend wegen der Corona-Pandemie – doch Weissrusslands Präsident Alexander Lukaschenko zeigt sich davon völlig unbeeindruckt.

29.03.2020

Der 66-Jährige regiert seit 1994 mit eiserner Hand über die zehn Millionen Bürger. Doch viele Menschen haben genug von ihm. Die gefälschte Präsidentenwahl im August löste in der Bevölkerung wütende Proteste aus. Der Anführer ging mit massiver Polizeigewalt dagegen vor. Mehr als 30'000 Menschen sollen bei den Unruhen verhaftet worden sein.

Fasel besudelt seine erfolgreiche Funktionärszeit

Ebenfalls seit 1994 steht Fasel dem IIHF vor. Der joviale Schweizer gilt als geschickter Strippenzieher. So weibelte Fasel auf der internationalen Sportbühne – meist erfolgreich – für sein Produkt. Nähe zu umstrittenen Figuren scheute er dafür nie – im Gegenteil. Für die russische Nummer 1 Wladimir Putin schwärmte er ungeniert in der Öffentlichkeit. Die Schweiz drückte bei Fasel irgendwie meist beide Augen zu. Einerseits war man hierzulande stolz, dass ein Schweizer einen Weltverband anführt, andererseits gab es ja mit Sepp Blatter noch ein Funktionär, der noch mehr Potenzial für Aufreger aufwies.

So flog Fasel in der Öffentlichkeit etwas unter dem Radar. Doch sein Einfluss auf die Hockey-Welt war stets gross. Sein Erfolgsrezept glich demjenigen von Blatter. So wiederholte er treu das Mantra von der völkerverbindenden Wirkung des Sports. Politische Sachen hingegen dürfe man nicht für den Sport in Geiselhaft nehmen.

Mit dieser Philosophie im Gepäck ging der frühere Zahnarzt auch diese Woche nach Weissrussland. Die herzliche Umarmung, mit welchen sich die beiden Alpha-Tiere begrüssten, sorgte weltweit für Irritationen. Denn dem autoritären Staat droht wegen anhaltender Sicherheitsprobleme der Entzug der WM – es wäre ein Debakel für Lukaschenko, der sich mit dem Event nur zu gerne schmücken würde.

«Bei uns stürmen Protestierende und ähnliche Unzufriedene keine Regierungsgebäude und das ‹Capitol› von Belarus», hielt er mit Blick auf die Erstürmung des US-Kongressgebäudes in Washington in der vergangenen Woche süffisant fest. 

Es gibt nur eine richtige Antwort auf solche Aussagen, welche Despoten verstehen: «Social Distancing.» Fasel hat dies gnadenlos verfehlt. Damit macht er sich zum Hofnarr und verspielt viel Kredit von seinem sportlich beachtlichen Erbe. Eigentlich wollte der 70-Jährige nach der Heim-WM in der Schweiz abtreten. Die Coronakrise machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Nun hofiert der selbst ernannte Krisenmanager Weissrussland. Es wäre für den IIHF-Präsidenten die 26. WM. Es wäre die eine zu viel.

Schweizerischer Eishockeyverband mit krudem Post

Enttäuschend ist auch, wie der Schweizerischen Eishockeyverband sich über den Austragungsort Minsk äusserte. «Wir verurteilen jegliche Form von Gewalt und Verstösse gegen Menschenrechte aufs Schärfste», schreibt Michael Rindlisbacher, der Präsident der Swiss Ice Hocey Federation in einer Stellungnahme.

Doch danach schillert durch, was die Hauptsorge ist: «Eine sichere Durchführung und Teilnahme an der A-WM hat für Swiss Ice Hockey höchste Priorität.» Damit schiebt man den Puck einfach wieder den Funktionären um Fasel & Co. zurück. Wie es geht, machen die Dänen vor. Sie kündigen einen WM-Boykott an, sollte das Turnier in Belarus stattfinden. «Social Distancing» mit Rückgrat würde allen gut anstehen.

Zurück zur StartseiteZurück zum Sport