Luganos Torhüter Mikko Koskinen läuft in den Playoffs zur Hochform auf. Gerade auch die NHL hat ihn gestählt.
Lugano wartet sehnsüchtig auf den ersten Meistertitel nach 2006. Seither erreichten die Bianconeri noch zweimal den Final (2016, 2018) und einmal den Halbfinal (2017). Dies wird den hohen Ansprüchen nicht gerecht, was der hohe Trainerverschleiss unterstreicht. Luca Gianinazzi ist der 16. Headcoach (Greg Ireland übernahm das Amt zweimal) seit dem Triumph vor 17 Jahren.
Auch in der abgelaufenen Qualifikation blieb Lugano als Zehnter unter den Erwartungen. Es spricht eigentlich wenig für das Ende der Durststrecke, doch einen grossen Hoffnungsträger gibt es für die Fans: Mikko Koskinen. Gross im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Finne bringt es auf 2,00 m und deckt dementsprechend viel vom Tor ab. «Er hat viel Erfahrung, liest das Spiel gut und steht so meistens am richtigen Ort», sagt Verteidiger Mirco Müller. «Er gibt und viel Sicherheit und Selbstvertrauen.»
Sündenbock in Edmonton
Koskinen, 2009 von den New York Islanders als Nummer 31 gedraftet, stiess auf diese Saison hin von den Edmonton Oilers zum HCL. Bei den Kanadiern durchlebte er eine schwierige Zeit. Obwohl er mit 83 Siegen in 164 Einsätzen in der Regular Season von sämtlichen Torhütern der Oilers mit mehr als 100 Qualifikationspartien für Edmonton die drittbeste Erfolgsquote ausweist, erhielt er von den Fans wenig Wertschätzung. Denn viele waren empört darob, dass er 2019 nach seiner ersten Saison mit den Oilers einen mit 13,5 Millionen dotierten Vertrag über drei Jahre erhielt.
Koskinen war quasi der Sündenbock für die Misserfolge. Obwohl Edmonton mit Connor McDavid den aktuell besten Spieler der Welt und mit dem Deutschen Leon Draisaitl einen weiteren absoluten Top-Stürmer in seinen Reihen hat, liegt der letzte von fünf Stanley-Cup-Siegen schon 33 Jahre zurück. Mehr als ein Halbfinal-Einzug (2022) schaute in den bisherigen sieben Saisons mit dem genialen Duo nicht heraus.
Nicht zur Hilfe kamen Koskinen die Statistiken in den NHL-Playoffs, die Abwehrquote in den sieben Einsätzen betrug 89,2 Prozent. In der Mannschaft dagegen war er sehr beliebt. McDavid sagte am Allstar-Weekend 2022 über Koskinen: «Er ist der unbesungene Held des Teams.» Wenn es schlecht laufe, müsse er viel einstecken, wenn es jedoch gut laufe, bekomme er wenig Anerkennung.
Ein Familienmensch
Überhaupt hat Koskinen, dessen Vorbild ZSC-Legende Ari Sulander war, schon viel gesehen. Die NHL hat er auch deshalb verlassen, weil die Familie für ihn das Wichtigste ist und er in Nordamerika wenig Zeit für sie hatte. Der 34-Jährige ist Vater zweier Söhne. So ist er mit einem Zweijahres-Vertrag bei Lugano gelandet. Im Tessin gefällt es ihm sehr. «Er ist ein sehr ruhiger Typ mit einem lustigen Humor», beschreibt ihn Müller.
In der Qualifikation konnte allerdings auch Koskinen sein Potenzial nicht abrufen. Zwar feierte er in seinen ersten fünf Meisterschaftsspielen für Lugano zwei Shutouts, insgesamt aber musste er sich mit einer Abwehrquote von 89,96 Prozent begnügen. Nun aber, da es um alles geht, befindet er sich in Topform.
Am Donnerstag verzeichnete Koskinen beim 2:0 im ersten Heimspiel der Viertelfinalserie gegen den Qualifikationssieger Genève-Servette den zweiten Shutout in den diesjährigen Playoffs. Der erste war ihm im Achtelfinal gegen Fribourg ebenfalls vor heimischem Publikum (2:0) gelungen, nachdem er schon beim 2:1-Auswärtssieg in dieser Serie brilliert hatte. «Ihr Goalie hat gut gehalten «, anerkannte Servettes Stürmer Tanner Richard. «Allerdings haben wir ihm das Leben einfach gemacht. Wir nahmen ihm nicht die Sicht, waren zu wenig konsequent im Slot.»
Wie auch immer, in dieser Verfassung könnte Koskinen noch den einen oder anderen Sieg stehlen – in der Serie gegen Genf steht es 1:1. Koskinen weiss, wie man Meister wird. Mit SKA St. Petersburg holte er 2015 und 2017 den KHL-Titel, nach ersterem Triumph wurde er zum besten Keeper der Liga gekürt. Von daher ist im Südtessin träumen erlaubt.