Der FC Sion ist in dieser Super-League-Saison wieder einmal ein besonderer Fall. Das Besondere ist der Fall des Cup-Spezialisten von der Spitzengruppe mitten unter die Abstiegskandidaten.
Am Sonntag ab 16 Uhr spielt Sion bei Leader St. Gallen. Schon den Gewinn eines einzigen Punktes müsste man nach den aktuellen Gegebenheiten als Überraschung taxieren.
Auf die laufende Saison verpflichtete Präsident Christian Constantin als neuen Trainer Stéphane Henchoz, der in Neuenburg wahre Wunder vollbracht hatte, indem er Xamax' vor dem sicher scheinenden Abstieg rettete. Zum Saisonauftakt verlor Sion (wie immer) gegen Basel. Bei Aufsteiger Servette schaute ein 0:0 heraus. Danach siegten die Walliser fünfmal am Stück. Bis heute haben in dieser Saison nur Zürich und Luzern eine solche Siegesserie hingelegt. Nach weiteren sechs Spielen ohne Sieg war für Henchoz Schluss im Wallis. Seine Nachfolger Christian Zermatten (interimistisch), Ricardo Dionisio und Paolo Tramezzani brachten es in 14 Spielen in der Addition auf einen Sieg (gegen das damalige Schlusslicht Thun) und fünf Unentschieden.
Silenzio Stampa in Sitten
Tramezzani hatte die Mannschaft schon Anfang 2017, von einem erfolgreichen halben Jahr aus Lugano gekommen, trainiert. Nach 12 Runden mit 13 Punkten verlor er seinerzeit Ende Oktober den Job. Heute ist er nach den drei Amtszeiten von Meistertrainer Alberto Bigon der zweite Italiener, der in Sitten unter Constantin zweimal anheuern konnte. Seine Bilanz aus den vier Spielen nach der Wiederaufnahme ist miserabel: 1 Punkt, 0,25 Punkte pro Match.
Am Vormittag nach der jüngsten 0:2-Heimniederlage gegen Luzern verhängte Tramezzani, der ohnehin fast nur italienisch spricht, ein «Silenzio Stampa». Einstweilen kein Kontakt zwischen den Spielern und den Medien.
Schwach vor des Gegners Tor
Die aktuellen Probleme der Mannschaft dürften aber weniger in der Kommunikation zu suchen sein, als in den offensiven Leistungen der Mannschaft. Seit dem genannten 2:1-Heimsieg gegen Thun Ende November erzielten die Walliser in keinem Meisterschaftspiel mehr als ein Tor. Fünfmal trafen sie überhaupt nicht, so auch in den letzten beiden Partien.
Pajtim Kasami und Ermir Lenjani könnten in der Offensive einiges ausrichten, aber sie sind keine wirklichen Stürmer. Und die Stürmer selbst? Der Lette Roberts Uldrikis hatte im Wallis gut begonnen. Heute spielt er fehlerhaft und offenbar ohne jedes Selbstvertrauen. Für den Brasilianer Patrick Luan gilt fast das Gleiche. Filip Stojilkovic ist – wie der Brasilianer Itaitinga – noch jung und aus der Challenge League gekommen. Tore am Laufmeter sind von ihm noch nicht zu erwarten. In der zweiten Halbzeit des Spiels gegen Luzern kam auch der kleine Japaner Yamato Wakatsuki zum Einsatz. Er ist 18 Jahre alt.
Die Super-League-Saison 2019/20 hat jedoch schon viele Überraschungen und überraschende Wendungen bereitgehalten. Warum also sollte Sion am Sonntag in St. Gallen nicht gewinnen.