Kommentar Wir werden Thun vermissen, geben Vaduz aber eine faire Chance

Von Syl Battistuzzi

11.8.2020

Der FC Vaduz steigt in die Super League auf, der FC Thun muss in die Challenge League. Auch wenn das Duell auf sportlicher Ebene ausgetragen wurde, steckt doch mehr dahinter. Ein Kommentar.

Der FC Vaduz hat sich sportlich den Sieg verdient. Das sah auch Thun-Präsident Markus Lüthi so: «Wenn man die beiden Spiele zusammenzählt, hat das richtige Team gewonnen.» Zum vierten Mal in der Geschichte setzte sich der Unterklassige durch. Heuer standen dabei die Zeichen besonders ungünstig für den Aussenseiter.



Während der FC Thun im Oberhaus eine fantastische Rückrunde (er holte beispielsweise doppelt so viele Punkte wie Sion) zeigte, sicherten sich die Liechtensteiner doch ziemlich überraschend den zweiten Rang in der Challenge League. Hauptkonkurrent GC brach gegen Saisonende ein, Vaduz konnte sich sogar am letzten Spieltag eine Niederlage in Kriens erlauben. Das Momentum lag klar aufseiten der Berner Oberländer.

Doch ausgerechnet im wichtigsten Duell spielten ihnen die Nerven einen Streich. Nach zehn Jahren heisst es also Abschied nehmen vom FC Thun. Dort tickten die Uhren immer etwas langsamer, Sportchef Andres Gerber und Präsident Markus Lüthi handelten in ihrem Klub meistens antizyklisch und verfielen selten in Hektik. Als Belohnung hielt der Klub jedes Jahr die Klasse, obwohl man fast immer Abstiegskandidat Nummer 1 war.



Unbekannte Gründe – Aufstiegschancen von GC sinken

Auch wenn nicht alle Fussball-Fans Freude am Kunstrasen in der Stockhorn-Arena hatten, berührte Thun mit seiner bescheidenen Art irgendwie die romantische Fussball-Seele. Finanziell stand man zwar stets auf der Kippe, blieb aber unabhängig und verzichtete auf Mäzene oder zwielichtige Investoren. 

Fast immer kann man bei einem Abstieg die Gründe erörtern, warum es so herauskam. Unruhe im Verein, schlechte Transfers oder etwa eine Negativspirale. Beim FC Thun sah man irgendwie keine solche Anzeichen, deshalb ist die Zäsur wohl umso bitterer. Auch das Kader genügte, um die Klasse zu halten.

Die Truppe von (Noch-)Coach Marc Schneider sollte sich aber schnell mit der Realität anfreunden. In der Challenge League sind nächstes Jahr mit Xamax, GC oder Aarau weitere Traditionsvereine dabei, die unbedingt aufsteigen wollen – und müssen. Mit ihren Infrastrukturen und Budgets sind sie darauf angewiesen, in der obersten Schweizer Spielklasse dabei zu sein. Der Abstieg von Thun ist deshalb auch ein Schlag für die Hoppers, der Aufstieg wird dadurch sicher nicht leichter werden. Eine erneute Ehrenrunde liegt mit den chinesischen Investoren eigentlich nicht mehr drin.

Gemischte Gefühle beim Aufsteiger

Nach dreijähriger Absenz im Oberhaus ist dafür ein anderer zurück auf der Super-League-Bühne. Ein Hauptfaktor des erfolgreichen Wegs im Ländle ist der Lokalkolorit. Trainer ist Mario Frick, Sportchef ist Franz Burgmeier und Präsident sein Bruder Patrick. Ein Trio, das ganz genau weiss, was gefordert ist. Auch die Mannschaft, die trotz Aufstieg ihr Budget nur leicht erhöht (6 Millionen Franken), besteht nicht aus überragenden Individualisten, sondern besticht mit Leidenschaft und Herz. Die Profis spielen dort auch entgegen dem Landesimage auch nicht wegen des Geldes (Durchschnittslohn knapp 4'500 Franken pro Monat). 

Und trotzdem hält sich die Begeisterung über die Rückkehr von Vaduz in Grenzen. Nicht weil sie grundsätzlich einen schlechten Geschmack haben (die Spieler gönnten sich zur Aufstiegsfeier unter anderem das süsse Teenager-Getränk Smirnoff), sondern weil sie die Attraktivität der Super League mit ihrer Anwesenheit per se nicht erhöhen.

Sowohl im Rheinparkstadion als auch auswärts hält sich der Aufmarsch der Zuschauer in Grenzen. Sie nehmen zwar am Ligabetrieb teil, verfälschen aber unter Umständen wegen des Status als ausländisches Team die Tabelle. Nichtsdestotrotz hat es der FC Vaduz verdient, dass man ihm auch als neutraler Zuschauer eine faire Chance gibt. Auch wenn der Abstieg des sympathischen FC Thuns schmerzt.


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