Sforza-Entscheid «Basel wird nicht so schnell wieder Champions League spielen»

Von Tobias Benz

26.8.2020

Ciriaco Sforza soll ab September an der Seitenlinie des FCB stehen.
Ciriaco Sforza soll ab September an der Seitenlinie des FCB stehen.
Bild: Keystone

Die Trainerfrage beim FCB ist geklärt. Ciriaco Sforza wird für Marcel Koller übernehmen. Die richtige Entscheidung der Basler Führung? Das sagen die Fussball-Experten von Teleclub.

Ciriaco Sforza neuer FCB-Coach: Was ging Ihnen als Erstes durch den Kopf, als Sie das gehört haben?

Pascal Zuberbühler: «Für mich war sofort klar, dass Ciri sicher einer sein wird, der mit den Jungen arbeiten kann. Er kann ihnen ein wunderbares Gefühl geben, das hat er bei GC und bei Wil bewiesen. Mit seiner Art und Weise kann er sie ein Level nach oben bringen.»

Rolf Fringer: «Diese Trainerwahl hat mich überrascht. Eine Chance hat Ciri aber auf jeden Fall verdient, auch wenn es aufgrund der aktuellen Situation beim FCB eine sehr schwierige und möglicherweise auch etwas undankbare Aufgabe für ihn wird.»

Gaetano Giallanza: «Dass er sehr gut mit den jungen Spielern arbeiten wird. Ich habe das während seiner Zeit bei GC hautnah miterlebt. Hinzu kommt, dass er den Schweizer Fussball kennt. Und ich bin froh, dass sich der FC Basel für einen Schweizer Trainer entschieden hat. Wir haben super Trainer und man sollte ihnen öfters die Chance geben, sich auszeichnen zu können.»


Als Spieler hat Sforza viel erreicht, als Trainer ist die Bilanz durchwachsen. Wie erklären Sie sich die Entscheidung der FCB-Führung?
Pascal Zuberbühler
Bild: Teleclub

Pascal Zuberbühler stand zwischen 1999 und 2006 insgesamt 176 Mal im Tor des FC Basel.

Pascal Zuberbühler: «Weil er den Schweizer Fussball kennt, das ist sehr wichtig. Und ich bin froh, dass der FCB einen Schweizer Trainer geholt hat und jetzt auf Junge setzt. Wir sind ein Ausbildungsland geworden. St. Gallen hat es vorgemacht, wie man im Schweizer Fussball denken muss. Wenn die Basler jetzt einen ausländischen Trainer geholt hätten, wären sie fehl am Platz.»

Rolf Fringer: «Ich denke, dass Ciri in den letzten Jahren als Trainer sehr gereift ist und viel dazu gelernt hat. Das hat er vor allem in Wil gezeigt, als er auch eine sehr gute Arbeit mit den jungen Spielern leistete. Die Frage, die ich mir jetzt Stelle, lautet eher: ‹Wie geht es oben in der Führung weiter beim FCB?› Denn egal wie sehr sich Ciri jetzt ins Zeug legt, wenn man sich in der Klubführung bekämpft, ist man auf dem Feld nie erfolgreich.»

Gaetano Giallanza: «Sforza passt zu dieser Philosophie beim FC Basel. Allerdings muss die Klubführung jetzt verstehen, dass es Zeit braucht, wenn mit jungen Spielern gearbeitet werden soll.»


Sforza soll den Neustart mit jungen Spielern bestreiten. Aber ist dieses Konzept beim einstmals grossen FCB das richtige?
Rolf Fringer
Bild: Teleclub

Teleclub-Experte Rolf Fringer zählt zu den erfolgreichsten Trainern der Schweiz. Den FC Basel coachte der 63-Jährige aber nie.

Pascal Zuberbühler: «Das muss beim FC Basel ganz klar ein Thema sein. Wenn sie glauben, dass sie weiterhin viel Geld für ausländische Spieler ausgeben können, dann ist das in der Schweiz die falsche Strategie. Und man muss ja nicht nur auf Junge setzen. Man hat ja auch noch paar bestandene Spieler in Basel wie Stocker und Frei. Und die müssen das neue Boot zusammen mit Ciri und dem Staff führen können. Aber Basel wird nicht so schnell wieder Champions League spielen.»

Rolf Fringer: «Ich weiss nicht, ob der FCB mit diesem Konzept YB sogleich wieder einholen wird, aber so kann man in erster Linie zumindest den wirtschaftlichen Absturz bremsen. Die Öffentlichkeit muss sich einfach damit abfinden, dass in Basel jetzt kleinere Brötchen gebacken werden. Die Erwartungen müssen zwingend gedämpft werden.»

Gaetano Giallanza: «Sicher. Es funktioniert aber nur, wenn die Förderung dieser Spieler stimmt. Es braucht auch erfahrene Spieler, was der Klubführung klar werden muss. Und der Trainer der ersten Mannschaft muss unbedingt in diese Kette mit einbezogen werden. Man muss aber auch klar sehen, dass YB momentan die Nummer 1 ist. Da muss Basel jetzt einfach realistisch sein und vielleicht nicht wieder sagen: ‹Wir wollen sofort Meister werden›.»


Die Fans sind nach den Ereignissen der letzten Monate verstimmt. Jetzt zieht der FCB Sforza der «Lösung Frei» (Basler, Identifikationsfigur, Kronfavorit) vor – das ist doch ein Pulverfass!
Gaetano Giallanza
Bild: Teleclub

Der FC Basel war 1992 die erste Station in Giallanzas Profikarriere. 

Pascal Zuberbühler: «Die Fans sind brutal erbost, das ist klar. Die sind jetzt enttäuscht und sauer. Es wird sicher nicht einfach werden für Ciri, auch weil er nicht aus Basel ist. Aber er muss den Fans jetzt zeigen, dass er die richtige Einstellung hat und mit Stolz Basel-Trainer sein wird. Die Fans zu überzeugen wird jetzt seine Hauptaufgabe sein.»

Rolf Fringer: «In dieser schwierigen Situation ist es vielleicht sogar gut, dass keine Basler Identifikationsfigur für Koller übernimmt. Da wird man schnell zum Sündenbock, das hat man bei Marco Streller auch gesehen. Deshalb ist es vielleicht gar nicht so verkehrt, dass jetzt einer von Aussen übernimmt.»

Gaetano Giallanza: «Das wird nicht einfach. Basel muss eigentlich jedes Jahr einen Titel gewinnen und europäisch dabei sein. Aber bevor man damit anfängt, Ciri abzustempeln, muss man ihm zuerst etwas Zeit lassen. Ich glaube, die Basler Fans haben neuen Trainern immer eine Chance gegeben. Wenn man sieht, dass er einen guten Fussball spielen lässt und Dinge ausprobiert, dann werden die Fans loyal sein.


Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass Sforza Erfolg hat?

Pascal Zuberbühler: «Ich will keine Zahl angeben. Ich kenne Ciri, und ich weiss, dass er alles machen wird für den Erfolg.»

Rolf Fringer: «8»

Gaetano Giallanza: «7,5»

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