Eigentlich wollte David Wagner nach seiner Spielerkarriere Biologie- und Sportlehrer werden. Daraus wurde nichts – in der nächsten Saison steht der Huddersfielder Volksheld an der Seitenlinie der Berner Young Boys.
Huddersfield, 30. Mai 2017. «Liebe Town-Fans, vor fast einem Jahrzehnt …», weiter kommt der aus Hemd und Krawatte strahlende Moderator an der Aufstiegsparty in der Innenstadt nicht. Dann entreisst ihm David Wagner das Mikrofon. «Wir. Sind. Premier League. Wir. Sind. Premier League», grölt der Deutsch-Amerikaner mitten in die Ansage und Tausende Anhänger stimmen sofort mit ein.
Als der Fangesang abklingt, versucht sich der Klubvertreter noch zwei weitere Male mit ernsten Worten, wird aber erneut vom wild herumhüpfenden Stimmungsmacher unterbrochen. Schlussendlich gibt er auf und überlässt Wagner seiner Partymeute. Die Stimmung kocht, Huddersfield Town steht in der Premier League.
«Besser als Klopp»
Die verrückten Szenen deuten an, was da in den nächsten Jahren auf die Berner Young Boys zukommen könnte – sollten sie weiterhin so erfolgreich sein, versteht sich. Doch keine Sorge, liebe YB-Fans, denn schliesslich ist Wagner laut Town-Anhängern «besser als Klopp». So zumindest besingen sie den Trauzeugen und guten Freund des Liverpool-Trainers, der sie in der Saison 2016/17 völlig überraschend in die Premier League führt.
Ein Jahr später gelingt dem heute 49-Jährigen sogar der als unmöglich geltende Klassenerhalt mit dem Underdog. Im Januar 2019 muss Wagner nach einem schlechten Saisonstart allerdings die Segel streichen. So schnell geht das in dieser Premier League. An seiner Beziehung zu den Fans liegt das keinesfalls.
Die Zeit bei den «Terriers» ist die bisher erfolgreichste in Wagners Trainerkarriere. Mit Schalke zeigt er später zwar starke Anzeichen, gerät aber nach gutem Saisonstart in einen schier endlosen Negativstrudel, der für ihn ein Jahr nach Amtsantritt mit einem krachenden 0:8 gegen die Bayern endet.
Geplante Berufslaufbahn als Lehrer
Als aktiver Spieler gewinnt Wagner mit Schalke 1997 den Uefa Cup und steht achtmal für die US-amerikanische Nationalmannschaft im Einsatz. Dennoch behauptet er rückblickend, ein Stürmer gewesen zu sein, der keine Tore schoss: «Für das Mittelfeld reichte meine Ausdauer nicht und in der Abwehr fehlte mir die nötige Härte», so das humorvolle Fazit im Nachhinein.
Dass aus dem zweifachen Familienvater ein Fussball-Trainer wird, ist eigentlich nicht geplant. «Ich habe die bewusste Entscheidung getroffen, die Fussball-Familie zu verlassen», verrät Wagner einst im Interview mit der «BBC». «Ich wollte auf einem anderen Gebiet Erfahrungen sammeln und Herausforderungen erleben.»
Um ins «richtige Leben» einzutauchen, studiert er Biologie und Sportwissenschaften. Wagner will Lehrer werden. «Ich wollte herausfinden, wie es ausserhalb dieser Fussball-Bubble ist. Und es hat mir gefallen, obwohl ich ehrlich gesagt nie mit dem Studium angefangen hätte, wäre mir bewusst gewesen, wie schwierig es ist.»
Schlussendlich habe ihn das Fussball-Fieber aber doch wieder gepackt. «Wenn du dieses Virus in dir hast, dann kommt es irgendwann zurück», ist sich Wagner sicher. Über die Jugendabteilungen von Hoffenheim und Dortmund führt ihn seine Trainerkarriere nach Huddersfield, Schalke und nun zu den Young Boys.
Er habe dabei nicht stetig an die Grösse der Klubs oder an die Länder gedacht. «So bin ich nicht. Ich fühle es, wenn es die richtige Aufgabe ist.» Dieses Gefühl führte den Huddersfielder Volkshelden nun offenbar nach Bern. Hier gibt es zwar keinen Aufstieg in die Premier League zu bejubeln, aber die Chancen auf eine ausgelassene Meisterfeier stehen auch unter dem neuen Trainer nicht schlecht.