Parallelen-Check Uli Forte, steigt der FCZ wie 2016 in die Challenge League ab?

pat

30.4.2021

Fünf Spieltage vor Saisonende steckt der FC Zürich mitten im Abstiegskampf. Im Gespräch mit «blue Sport» vergleicht Trainer Uli Forte, der mit den Zürchern 2016 den Klassenerhalt verpasste, die Situation von heute mit damals.

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30.4.2021

Am 15. April analysierte «blue Sport» die Situation beim FCZ: «Die letzten vier Spiele konnte der FC Zürich nicht mehr gewinnen. Der Barrage-Platz rückt immer näher. Und die Parallelen zur Abstiegssaison 2016 dürften den FCZ-Fans fast schon das Blut in den Adern gefrieren lassen.»

Zwei Wochen später zählen wir sieben sieglose Spiele in Folge, nur gegen Sion (1:1) konnten die Zürcher ein Pünktchen ergattern. Der Vorsprung auf den Barrage-Platz (Vaduz) beträgt fünf Runden vor Schluss zwei Punkte, auf Schlusslicht Sion sind es deren fünf. Die Lage ist ernst und erinnert noch immer an die Abstiegssaison 2015/16. 



Sieht das Uli Forte, der damals drei Runden vor Schluss als Feuerwehrmann geholt wurde, den Brand aber trotz vier gewonnener Punkte nicht mehr löschen konnte, genau so? «blue Sport» hat beim derzeit vereinslosen Trainer nachgefragt.

Der FCZ kämpft gegen den Abstieg. Wie sehr erinnert dich die Situation an 2016, wo ihr schlussendlich abgestiegen seid?

Es sind durchaus Parallelen vorhanden, das kann man nicht wegdiskutieren. Die schlechteste aus FCZ-Perspektive ist die Tabellensituation. Vor fünf Jahren war es ähnlich. Und das ist etwas, was in den Köpfen der Spieler herumschwirrt und wahrscheinlich auch ein Hemmer ist für die Leistung.

Siehst du abgesehen von der Tabellensituation noch weitere Parallelen?

Diese «Gschänkli», beziehungsweise unnötigen Gegentore, die man kassiert. Wenn man unten in der Tabelle ist, dann läuft es meistens nicht für die eigene Mannschaft. Ganz nach dem Motto: Am Anfang hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.

Vor fünf Jahren hiess es oft, der FCZ steigt schon nicht ab, da ist zu viel Qualität vorhanden. In dieser Saison hört man von Präsident Canepa oder auch Trainer Rizzo, die Situationen seien nicht miteinander vergleichbar. Erkennt man den Ernst der Lage wieder nicht?

Doch, ich denke schon. Weil man hat ja leider den Erfahrungswert vom letzten Mal. Aber das Problem ist immer die Ausrichtung anfangs Saison. Ich nehme den FC Vaduz als Beispiel. Der FC Vaduz hat von Anfang an gewusst: Für uns ist der Meistertitel der achte Platz. Wenn wir Achter werden, dann ist das eine sensationelle Leistung. Und so sind sie auch in die Saison gestartet. Im Winter hatten ja alle das Gefühl, Vaduz ist hilflos abgeschlagen, die werden klar Absteiger Nummer eins. Der FCZ dagegen will immer europäisch mitmachen und im Cup so weit wie möglich – normalerweise in den Final – kommen. Wenn man dann aber immer tiefer runterrutscht und alles anders kommt als geplant, dann kann man das im Mindset kaum noch ändern. Dann wieder in die Spur zu finden, ist nicht immer einfach.

Es ist nicht lange her, da hat man beim FCZ noch von Platz zwei geredet. Und dann kam in der Winterpause auch noch Hoffnungsträger Dzemaili. Hatte man vielleicht das Gefühl, mit ihm läuft das sowieso?

Lange war es wirklich so, dass du mit zwei Siegen auf Platz 2 vorrücken kannst, andererseits mit zwei verlorenen Spielen auf dem Barrage-Platz landest. In der Tendenz haben die Vereine zu sehr nach oben geschaut anstatt nach unten. Beim FCZ sowieso. Das ist ein Verein, der immer in der Spitzengruppe der Super League dabei sein muss.

Und mit Blerim haben sie einen super Spieler, einen super Charakter bekommen, der am Anfang auch eingeschlagen hat. Aber man hat gewusst, dass er in China auch coronabedingt lange nicht mehr gespielt hat. Und darum hat man sich vielleicht zu fest auf Blerim abgestützt, obwohl man wusste, dass er den Rhythmus noch nicht hat. Und prompt hat er sich verletzt. Von einem Moment auf den anderen ist Blerim als Stütze weggebrochen und dann gerät man eben genau in die Situation, in der man jetzt ist. 

Übernimmt Dzemaili vielleicht sogar zu viel Verantwortung auf dem Platz?

Das glaube ich nicht. Aber durch das, dass er den Rhythmus nicht hatte, lastet auf seinen Schultern vielleicht zu viel Druck. Blerim alleine kann das nicht. Es ist unmöglich, dass ein Spieler die ganze Mannschaft mitreisst. Das kann vielleicht Messi oder Ronaldo, aber nicht Blerim. Er muss zwei, drei Mitspieler haben, die ihm da auch Unterstützung geben. Sich nur auf Blerim zu verlassen, wäre falsch.

Es sind jetzt noch fünf Spiele ausstehend. Wäre nun so etwas wie der letzte Zeitpunkt für einen Wechsel auf dem Trainerposten gekommen?

Von aussen betrachtet ist das schwierig zu sagen. Man müsste sehen, wie das Verhältnis zwischen Massimo Rizzo und der Mannschaft ist. Es sind noch fünf Spiele, aber das ist auch nicht mehr so viel Zeit. Ich glaube nicht, dass das eine Lösung wäre. Es wäre gescheiter, es würden jetzt alle noch einmal enger zusammenrücken und alles mobilisieren, was sie können.

Restprogramm des FC Zürich

  • Lugano (h)
  • Lausanne (a)
  • St. Gallen (h)
  • Basel (a)
  • Vaduz (h)

Bei aller Anspannung, dem Druck von aussen und den Erwartungen der Fans – wie kann man sich in dieser Lage noch auf die Arbeit konzentrieren?

Die Einflüsse sind gross, das ist klar. Aber das ist überall im Fussball ab einem gewissen Niveau so. Da musst du als Trainer eine gewisse Resilienz entwickeln. Du darfst dich nicht beeinflussen lassen von unzufriedenen Fans, sonst verliert man den Fokus aufs Wesentliche.

Aber es ist so, dass man da immer Störfeuer hat. Ich erinnere mich, dass wir im Letzigrund auf dem Nebenplatz trainierten und die Fans kamen und beleidigten die Spieler während des gesamten Trainings. (…) Alles was um den Platz herum passiert, muss man versuchen auszublenden. Das ist nicht immer einfach. Aber ich habe in dieser Zeit nie Zeitungen gelesen und sagte auch den Spielern: «Vergesst die Zeitungen, vergesst das Internet».

Es hat extrem viele Gespräche gebraucht. Ich habe fast nicht mehr trainiert, nur noch Gespräche geführt – einzeln oder in der Gruppe. Der Kopf ist in diesen Situation das Wichtigste und deshalb hoffe ich, dass beim FCZ jetzt auch viele Gespräche geführt werden, um das Selbstvertrauen der Spieler wieder aufzubauen.

Was sagt dein Gefühl, schafft der FCZ diesmal den Klassenerhalt?

2016 ist noch sehr präsent, nicht nur bei den Spielern, die damals dabei waren, sondern bei allen. Auch bei jenen, die damals vielleicht noch in der Juniorenabteilung waren. Ich denke schon, dass der FCZ den Ligaerhalt packen wird.