Kein Budget, kein Problem. Alain Sutter formt aus dem FC St. Gallen in nur zwei Jahren einen Meisterkandidaten. Dass er gleichzeitig noch über drei Millionen Franken einnimmt, ist eigentlich gar nicht zu glauben.
Tabellenführer. Wer hätte es gedacht? Mit dem Sieg in Basel und der Bestätigung gegen Servette generierte der FC St. Gallen erneut schweizweit positive Schlagzeilen. Nur knapp zwei Jahre ist es aber her, da sorgten die Ostschweizer vor allem für viel Stirnrunzeln. Im Januar 2018 präsentierten sie mit Matthias Hüppi und Alain Sutter zwei Überraschungen. Das SRF-Duo als Präsident und Sportchef? Ein mutiger Entscheid.
Zwei Jahre, einen Monat und ein paar zerquetschte Tage später ist bei Grün-Weiss jegliche Skepsis verschwunden. Der FCSG grüsst nach 21 Spieltagen von der Tabellenspitze und begeistert mit attraktivem Offensivfussball längst über die regionalen Grenzen hinaus. Nicht zu Unrecht werden deshalb Präsident Matthias Hüppi, Trainer Peter Zeidler und die Akteure auf dem Feld mit Lob überschüttet. Aber ein riesiger Anteil des aktuellen Erfolgs geht in Wahrheit auf das Konto von Alain Sutter.
Spitzenfussballer zum Schnäppchenpreis
16. Dezember 2017, Kybunpark. Im letzten Spiel bevor Sutter als Sportchef übernimmt, gewinnt der FC St. Gallen zu Hause gegen Sion mit 3:2 und stösst auf den vierten Tabellenplatz vor. «Ein schwieriges Jahr positiv abgeschlossen», schreibt das St. Galler Tagblatt. «Da geht noch deutlich mehr», dürfte sich hingegen Sutter gedacht haben. Denn genau so handelt er. Von der damaligen Startelf steht am vergangenen Sonntag gegen Servette nur noch ein Spieler auf dem Platz – Silvan Hefti. Der Rest ist neu. Und neu ist besser, wenn Sutter seine Hände im Spiel hat.
Um das zu bestätigen, reicht ein Blick auf die Tabelle. Aber nicht nur die Qualität der Mannschaft überzeugt, auch der Preis ist beeindruckend. Obwohl «beeindruckend» an dieser Stelle eine masslose Untertreibung ist. Für die 14 Spieler, die in dieser Saison unter Zeidler am meisten Spielminuten erhielten, bezahlte St. Gallen die mickrige Gesamtsumme von knapp einer Million Schweizer Franken. Das ist verrückt.
Aber es kommt sogar noch besser: Sutter zog dem FC Middlesbrough diese Summe alleine mit dem Verkauf Stojanovics aus der Tasche. Das überschüssige Wechselgeld investierte er in den unbekannten ghanaischen Torhüter Lawrence Ati Zigi, der nach nur drei Partien vom Espenblock zum Publikumsliebling erkoren wurde. Das ist unglaublich gut – und das waren bloss die zwei letzten Amtshandlungen. Es scheint sich ein Trend zu entwickeln: Was Sutter berührt, wird zu Gold.
Kein Budget, kein Problem
In St. Gallen ist längst vergessen, dass im Sommer mit Derek Kutesa, Vincent Sierro, Yannis Tafer und Tranquillo Barnetta gleich vier Leistungsträger dem FCSG den Rücken kehrten. Keiner der eben genannten würde aktuell auch nur in die Nähe der ersten Elf kommen. Es denkt auch niemand mehr daran, dass der Klub vor dem Verkauf Ajetis im Herbst 2017 am Rande der Insolvenz stand. Man träumt jetzt von der Meisterschaft.
Sutters Taktik, die aufgrund mangelnder Ressourcen lange auf Leihgeschäften beruhte, und für die er nur zu häufig kritisiert wurde, ging voll auf. Mittlerweile haben mit wenigen Ausnahmen alle Stammspieler ein Arbeitspapier bis mindestens Sommer 2021. In den zwei Jahren, in denen er im Kybunpark nun die Transfers koordiniert, haben die St. Galler bereits über drei Millionen Franken Mehreinnahmen. Und nebenbei formte er mit ablösefreien Transfers wie denen von Victor Ruiz und Jordi Quintilla aus dem FCSG einen Meisterkandidaten.
Der ehemalige SRF-Experte erteilt der gesamten Super League eine Lehrstunde. Die Ostschweizer können sich mehr als glücklich schätzen, den 52-Jährigen in ihren Reihen zu haben und sie wären gut beraten, alles daran zu setzen, damit es so bleibt.