In der Wüste von Katar wollte Cristiano Ronaldo seiner unvergleichlichen Karriere die Krönung aufsetzen. Nach der Marokko-Pleite ist aber der WM-Traum geplatzt. Beim Gang in die Kabine vergiesst der Superstar bittere Tränen.
Cristiano Ronaldo wollte sich bei seiner fünften WM-Teilnahme (nach 2006/2010/2014/2018) endlich zum Weltmeister krönen lassen. Doch Viertelfinal-Gegner Marokko riegelte hinten zu und profitierte vorne einmal von einem Patzer von Goalie Diogo Costa.
Das genügte, um die Portugiesen in Schach zu halten. Auch Edel-Joker Ronaldo, der kurz nach der Pause eingewechselt wurde, brachte den Ball nicht im gegnerischen Tor unter. Der 37-Jährige hatte bei seinem 196. Länderspiel – damit stellte er den Weltrekord des Kuwaiters Badr al-Mutawa ein – nur zehn Ballkontakte.
Doch fast hätte einer davon genügt, um sein Team wieder auf Kurs Richtung Halbfinale zu bringen. In der 91. Minute tauchte der Angreifer plötzlich im Strafraum auf. Marokko-Goalie Bono konnte aber seinen Abschluss aus 15 Metern abwehren.
Reservisten-Rolle statt Schlüsselspieler
Beim Gang in die Kabine fliessen beim Superstar bittere Tränen der Enttäuschung. Kein Wunder, schliesslich endet einerseits nach 18 Jahren seine Zeit beim grössten Fussball-Turnier der Welt. Andererseits war Katar unter dem Strich für ihn ein unglückliches Turnier. Während der WM wurde die Trennung von Manchester United bekannt, nachdem Ronaldo sich im Vorfeld in einem Interview negativ über die Klubführung geäussert hatte. Bei der Ankunft im WM-Camp gab es Berichte, wonach die Beziehung zu Teamkollege Bruno Fernandes zerrüttet sei, was die beiden aber dementierten.
Beim Startspiel gegen Ghana durfte sich Ronaldo dank eines umstrittenen Elfmeter-Treffers noch freuen. CR7 traf damit als Erster bei fünf verschiedenen Weltmeisterschaften. Im zweiten Spiel gegen Uruguay durfte Ronaldo ebenfalls von Beginn weg stürmen, blieb aber wirkungslos. Beim abschliessenden Gruppenspiel gegen Südkorea durfte sich der Captain erneut beweisen – und war bei der 1:2-Pleite nicht zu sehen.
So entschied sich Coach Fernando Santos, seinen langjährigen Schlüsselspieler im Achtelfinale gegen die Schweiz auf die Bank zu verbannen. Ein Sakrileg, welches bei einem grossen Turnier letztmals 2008 vorkam. Die vermeintlich unpopuläre Massnahme wurde gemäss einer Umfrage der Sportzeitung «A Bola» von 70 Prozent der Leser gutgeheissen. Seinem Ersatzmann Gonçalo Ramos gelangen bei der 6:1-Gala glatt drei Treffer. Ronaldo kam eine Viertelstunde vor Spielschluss aufs Feld. Er erzielte ein Abseitstor – und verschwand nach Schlusspfiff als erster Portugiese wieder vom Rasen.
Kein Grund zur Traurigkeit
Danach tauchten Gerüchte auf, wonach Ronaldo die Startelf-Degradierung nicht hinnehmen wollte und gar mit der WM-Abreise drohte. Der 37-Jährige habe seine Meinung dann aber geändert. Der Verband dementierte öffentlich die Behauptungen.
Gegen Marokko bekam der 21-jährige Benfica-Angreifer Ramos von Santos erneut den Vorzug vor dem aktuell vereinslosen Ronaldo, der gemäss Berichten mit einem Engagement in Saudi-Arabien liebäugelt. Ronaldo musste das anbahnende Debakel zuerst von der Bank aus mitverfolgen.
«Bereue nichts»
Portugals Nationaltrainer über Ronaldo Joker-Rolle
Irgendwann wird Ronaldo die Enttäuschung verdaut haben. Schliesslich hielt er vor der WM in Katar fest: «Selbst dann, wenn ich am Ende meiner Karriere keinen weiteren Pokal gewinnen würde, wäre ich stolz auf das, was ich erreicht habe». Tatsächlich hat der fünffache Weltfussballer – nebst zahlreichen Klub-Titeln – mit dem Nationalteam 2016 die EM gewonnen.
Ronaldos triste WM-Bilanz
Als 21-Jähriger schaute bei seiner Premiere 2006 der 4. Platz (1 Elfmetertor) heraus. Vier Jahre später scheiterte der damals teuerste Fussballer der Welt im Achtelfinale an Spanien. Der Captain schoss gegen das inferiore Nordkorea ein Tor.
In Brasilien erlitt der «Ballon d'Or»-Träger mit seinem Team ein Debakel und flog in der Gruppenphase raus. Sein Treffer im bedeutungslosen letzten Gruppenspiel blieb ein kleiner Lichtblick. Bei der WM 2018 in Russland zeigte der damals 33-Jährige seine Klasse. Mit drei Toren gegen Spanien und dem Siegtreffer gegen Marokko führte CR7 sein Team praktisch im Alleingang in die K.o.-Phase. Im Achtelfinale war dann aber Uruguay Endstation.
Gemäss Datenspezialist «Opta» blieb CR7 bei allen acht Auftritten in der K.o.-Phase einer Weltmeisterschaft (inkl. Spiel um Platz 3) torlos – bei 570 Minuten Einsatzzeit und 27 abgegebenen Schüssen.
Ronaldo verpasste es damit auch, Portugals WM-Torrekord von Eusébio einzustellen, der 1966 neunmal getroffen hatte.