Vorsicht, die Tschechen schiessen scharf! Vor dem EM-Achtelfinale gegen die Niederlande wählte Patrik Schicks Mannschaft eine etwas andere Art der Vorbereitung. Was soll das bringen? Und ist diese Mannschaft ähnlich veranlagt wie die 1996er Silber-Elf?
Die tschechische EM-Reisegruppe zog es an den Schiessstand. Vor dem Kracher im Achtelfinale der Fussball-Europameisterschaft am Sonntag gegen die Niederlande probierten Patrik Schick und seine Teamkollegen unter Aufsicht von Experten eine Reihe von Schusswaffen aus. «Wir wollten für ein paar Stunden einen Tapetenwechsel», berichtete Teammanager Libor Sionko von der etwas ungewöhnlichen Einheit Ende der Woche. Ob das gegen Oranje hilft?
Die Tschechen fühlen sich mit den Niederlanden wohl – auch wenn sie wegen technischer Probleme mit dem Flieger erst am Samstagabend in Budapest ankommen sollten und nicht wie eigentlich geplant schon am Nachmittag. Sehr gerne erinnern sie sich an die EM 2004 in Portugal zurück, als sie in der Vorrunde gegen Arjen Robben, Ruud van Nistelrooy & Co. schon nach 19 Minuten 0:2 zurücklagen. Jan Koller, Milan Baros und Vladimir Smicer drehten die Partie für Karel Brückners Team aber noch.
«Das ist wohl für alle Fans ein legendäres Spiel», sagte Karel Poborsky der Zeitung «Blesk». Das 3:2 damals bereitete der tschechische Fussball-Feingeist sogar vor. Eine Überraschung hält er diesmal für gut möglich. «Die Holländer werden ihr Spiel spielen, und das kann uns wieder entgegenkommen», meinte Poborsky, der früher mit wehender Mähne durch die gegnerischen Abwehrreihen stürmte. «Gegen eine offensive Verteidigung können wir Gegenangriffe starten.»
Potenzial zum grossen Erfolg?
Die Mähne von Poborsky wurde schon zu aktiven Zeiten gestutzt. Über die Jahre sind graue Strähnen hinzugekommen, er ist ja mittlerweile 49 Jahre alt. Legendenstatus hat er sich aber nicht mit der EM 2004 erworben, als Tschechien erst im Halbfinale an Otto Rehhagels späterem Sensationssieger Griechenland scheiterte. Sondern es war diese unglaubliche EM in England 1996. Tschechien dribbelte sich bis ins Finale gegen Deutschland, in dem der damalige Dortmunder Patrik Berger sogar die Führung erzielte.
Doch Joker Oliver Bierhoff mit Kopfball und Golden-Goal-Linksschuss zerstörte die Hoffnungen Tschechiens auf den ersten EM-Titel seit dem Coup der Tschechoslowakei 1976. «Sie müssen wie ein Team auftreten und Gas geben», sagte Berger der Zeitung «Dnes».
Hat die aktuelle Mannschaft das Potenzial, in die Fussstapfen der früheren Edelmetallgewinner zu treten? Um ehrlich zu sein: nein. In Schick (Bayer Leverkusen), der dreimal bei dieser Endrunde traf, und Tomas Soucek (West Ham United) haben die Tschechen nur zwei Spieler, die gehobene Klasse besitzen.
«Zum ersten Mal seit den Zeiten eines Milan Baros oder Jan Koller haben wir in ihm einen Stürmer von europäischem Format», meinte der frühere Frankfurter Karel Rada, Vize-Europameister von 1996, über Schick. Sonst allerdings: viele biedere Adjutanten.