Achraf Hakimi wurde in Madrid geboren und bei Real Madrid ausgebildet. Vor dem Achtelfinal gegen Spanien ist er aber in erster Linie marokkanischer Held und Träger der Geschichte seiner Vorfahren.
Mit seinen elf Millionen Followern auf Instagram teilt Achraf Hakimi alle paar Tage einige Bilder von der Weltmeisterschaft. Nach dem Sieg gegen Belgien, der den Weg in die Achtelfinals ebnete, lud er Fotos hoch, die zeigen wie er seine Mutter küsst und sie ihn. Einige Tage später folgte ein Bild von ihm mit dem Pokal des besten Spielers der Partie, diesmal nach dem 2:1 gegen Kanada. Daneben steht: Träume gross. Arbeite hart.
Um Träumen und Arbeiten geht es in der Familie Hakimi seit vielen Jahrzehnten. Der Wunsch nach einem besseren Leben trieb die Eltern von Achraf von Marokko nach Spanien. Die Mutter arbeitete als Reinigungskraft, der Vater als Strassenverkäufer. Und das älteste von drei Kindern versuchte sich im Judo und im Schwimmen, bevor es in Getafe zum Fussball fand.
Nur ein Jahr benötigte Real Madrid, um das Talent aus dem armen, von vielen Marokkanern bewohnten Vorort der Hauptstadt zu entdecken. Bereits mit sieben Jahren wechselte Hakimi zum spanischen Rekordmeister, trainierte dort viele Jahre unter anderem mit Luca Zidane, dessen Vater Zinédine ihm schon früh den ersten Einsatz mit der ersten Mannschaft bescherte. Es folgten zwei Jahre in Dortmund, ein Meistertitel mit Inter Mailand, der Wechsel für 60 Millionen Euro zu Paris Saint-Germain. Weg von Madrid ging er, weil ihm dort alles zu wenig schnell ging.
Um Geschwindigkeit geht es bei Hakimi oft. Als Kind sei er nicht zu halten gewesen, heisst es. Später wollte er nicht warten, bis endlich ein Platz für ihn bei Real Madrid frei geworden wäre auf der Position des Rechtsverteidigers. An der Seitenlinie stürmt er in grossem Tempo rauf und runter. In der Bundesliga wurde er als einer der ersten Spieler während seiner Zeit bei Dortmund mit mehr als 36 km/h geblitzt. Jetzt spielt er mit Neymar, Lionel Messi und Kylian Mbappé.
Spielen für die Grossväter
In Marokko hat Hakimi noch nie gelebt. Er gehört zu jenen zahlreichen Nationalspielern im Team, die in der Fremde geboren sind. 14 sind es im 26-Spieler-Kader von Walid Regragui, er selber in Frankreich aufgewachsen und fussballerisch gross geworden. Von Goalie Bono aus Montréal über Captain Romain Saïss aus dem französischen Bourg-de-Péage und Spielmacher Hakim Ziyech aus Dronten in den Niederlanden bis Stürmer Walid Cheddira aus dem italienischen Wallfahrtsort Loreto.
«Es ist, als würdest du für deinen Grossvater und dessen Grossvater spielen. Du spielst für Millionen von Marokkanern», beschrieb Hakimi sein Gefühl der arabischen Vogue, dessen Titelbild er vor Kurzem zusammen mit seiner Ehefrau, der spanischen Schauspielerin Hiba Abouk, zierte. «Wir wissen, dass viele Augen auf uns gerichtet sind. Wir repräsentieren etwas in der arabischen Welt.»
«Ich fühlte mich nicht daheim»
Hakimi steht ganz speziell im Fokus, weil es am Dienstag gegen Spanien geht und mehr noch, weil er auf der rechten Seite für den Unterschied sorgen kann mit seinen Sprints und mit seinen weiten Pässen. Gegen Kanada bereitete er das 2:0 mit einem der schönsten Assists dieser WM vor, einem weiten Zuspiel zielgenau in den Lauf von Stürmer Youssef En-Nesyri.
«Er ist fantastisch», sagt Regragui über den 24-Jährigen. Hakimi meisterte bislang alle Herausforderungen in seiner Karriere erfolgreich, ob in Dortmund, Mailand oder unter den Stars von Paris Saint-Germain, bei denen er vor allem Kylian Mbappé nahe steht. In jener Welt findet er sich gut zurecht. Aber für Spanien zu spielen, war nur kurz ein Thema, als er einige Spiele mit der Junioren-Auswahl bestritt. «Ich fühlte mich nicht daheim», erklärte er der spanischen Sportzeitung Marca.
Also wählte Hakimi schon in jungen Jahren Marokko, die Heimat, zu der er nur indirekte Verbindungen hat, dessen Trikot aber für seine Eltern und dessen Vorfahren steht. Ausgerechnet gegen Spanien kann er schaffen, wofür er nach Katar gereist ist: Geschichte schreiben. Steht also der speziellste Match für ihn an, fragte Marca. «Nein, das wird der Final», entgegnete Hakimi.
SDA