Frankreich und Argentinien spielen am Sonntag im Final um ihren dritten WM-Titel. Die Franzosen könnten als erstes Team seit 1962 ihren Titel verteidigen, Lionel Messi möchte seine Karriere krönen.
Seine Mannschaft habe bereits Grosses erreicht, stellte Frankreichs Nationalcoach Didier Deschamps fest. Als Titelhalter bis in den Final vorzustossen, ist eine Seltenheit, die in jüngerer Vergangenheit nur Argentinien und Brasilien gelungen ist. Beide verpassten allerdings das Double, der zweite Final ging jeweils verloren: Die Argentinier scheiterten 1990 an Deutschland, Brasilien 1998 an Frankreich.
Frankreich hat also ein Rendez-vous mit der Geschichte. Zum ersten Mal seit 60 Jahren könnte ein Team den WM-Titel verteidigen. Die Voraussetzung für diesen Coup waren vor dem Turnier in Katar mit vielen Verletzten nicht sehr gut, und sie sind vor dem Final vor 89'000 wohl mit grosser Mehrheit für Argentinien jubelnden Zuschauern auch nicht perfekt. Ein Virus geht im französischen Camp um. Selbst für Deschamps dürfte es bis zu einem gewissen Grad eine Überraschung werden, auf wen er den am Sonntagnachmittag zählen kann.
Unerschöpflich sind die personellen Ressourcen Frankreichs nicht. Das dritte Gruppenspiel mit den Ersatzleuten ging gegen Tunesien nach schwacher Vorstellung 0:1 verloren. Deschamps machte in der K.o.-Runde ziemlich wenig Wechsel, was auch dafür spricht, dass sein Vertrauen in erster Linie dem harten Kern des Teams gilt. Vor allem Antoine Griezmann und Kylian Mbappé, die schon von vier Jahren entscheidend waren, dürften nicht zu ersetzen sein.
Die Erinnerung an den Gegner sind gerade bei diesen beiden gut: Griezmann und Mbappé trafen beim 4:3-Sieg im Achtelfinal gegen Argentinien. Schon damals war Lionel Messi als grösste Gefahr von den Franzosen ausgemacht worden. Daran hat sich nichts geändert. «Natürlich ist Messi einer der besten Spieler der Welt, und das zeigt er hier. Er ist in brillanter Form seit Beginn des Turniers», sagte Deschamps, und Griezmann ergänzte: «Jedes Team mit Messi hat komplett andere Voraussetzungen.»
Von der Blamage zum Weltmeister
Trotz Messi: Wer hätte noch auf Argentinien als Weltmeister getippt, als es das erste Gruppenspiel gegen die Nobodys aus Saudi-Arabien 1:2 verlor und sich zum Gespött machte?
Die Niederlage, eingefangen durch einen Doppelschlag früh in der zweiten Halbzeit, war auch deshalb peinlich und alarmierend, weil die Argentinier in den restlichen 51 Minuten inklusive Nachspielzeit gegen den Aussenseiter so gut wie nichts zustande brachten. Nur der linke Aussenverteidiger Nicolas Tagliafico von Lyon hätte den saudischen Goalie beinahe bezwungen. Von Messi, Julian Alvarez, Angel Di Maria, Lautaro Martinez und anderen vermeintlichen Trümpfen sah man kaum etwas.
26 Tage nach dem historischen Desaster bestreitet die «Albiceleste» am Sonntag in Lusail bei Doha den wichtigsten Final im Fussball, im Sport überhaupt. Messi führt ein Ensemble an, das schier von Spiel zu Spiel und von Sieg zu Sieg stärker wurde und mit dem 3:0 im Halbfinal gegen Kroatien demonstrierte, dass es alles besitzt, um der zweiten Kraft in Südamerika den dritten WM-Titel zu bescheren.
9 Tore von Messi und Alvarez
Das Weiterkommen war nur im Viertelfinal gegen die Niederlande ungewiss, als Wout Weghorst für Oranje nach 101 Minuten zum 2:2 ausglich. Aber im Penaltyschiessen konnten es die Argentinier regeln. Den entscheidenden Penalty versenkte Lautaro Martinez. Der kleine Stürmer von Inter Mailand war bei Turnierbeginn als Trumpf gedacht. Im Laufe der WM rutschte er – ähnlich wie Angel Di Maria – in der Hierarchie zurück, bis er im Halbfinal nicht mehr eingesetzt wurde.
Nationalcoach Lionel Scaloni schraubte an dem Team über die sechs Spiele und optimierte es. Der Goalgetter ist jetzt (nebst Messi) der als Einwechselspieler gestartete Julian Alvarez von Manchester City. Messi und Alvarez haben zusammen neun Tore erzielt. Wer immer im Match gegen Saudi-Arabien bitter enttäuschte und noch spielt, ist jetzt ein Pfeiler in der Mannschaft, der man für den Sieg im Final gute Chancen geben darf.