Für den Weltranglisten-Ersten Belgien scheinen die Aufgaben in der Vorrunde gut lösbar. Dänemark, Russland und Finnland dürfen für den Titelkandidaten kein Gradmesser sein.
Seit die «Roten Teufel» vor knapp zehn Jahren aus der zwischenzeitlichen Versenkung zurück in den Fokus gekehrt sind, rennen sie einem Titel hinterher. Zunächst reisten sie 2014 und 2016 als Geheimfavoriten an die Turniere. Spätestens seit 2018 haben sie diesen Status hinter sich gelassen. Die Belgier verlieren mit Roberto Martinez als Nationaltrainer kaum mehr ein Spiel und haben es in den Kreis der Turnierfavoriten geschafft.
Für Belgien beginnt die Zeit aber langsam zu drängen. Die einst junge Equipe ist noch nicht überaltert, aber der eine oder andere Spieler nähert sich doch dem Rücktritt oder beginnt zumindest die noch verbleibenden Möglichkeiten für den grossen Coup zu zählen. Jan Vertonghen, Toby Alderweireld, Thomas Vermaelen, Dries Mertens, Eden Hazard und Axel Witsel sind über 30; Thibaut Courtois, Kevin De Bruyne und Romelu Lukaku knapp darunter.
Belgiens goldene Generation
Der erste Schritt zum womöglich ersten grossen Titel von Belgien dürfte die goldene Generation ohne grössere Probleme schaffen. Von der Qualität der Spieler kommt in der Gruppe B Dänemark dem Ensemble von Martinez am nächsten. Mit Christian Eriksen haben die Skandinavier einen Spielmacher, der zu Überragendem in der Lage ist und bei Inter Mailand – an der Seite von Lukaku – nach schwierigen Monaten zuletzt besser in Fahrt gekommen ist. Im Sturm könnte der junge, unter anderem von Liverpool umschwärmte Jonas Wind die perfekte Ergänzung zu Eriksen sein.
Die letzten Duelle zwischen den beiden Mannschaften liegen noch nicht lange zurück. Im Herbst 2020 standen sie sich in der Nations League gegenüber, wobei Belgien den Dänen zwei ihrer zuletzt selten Niederlagen beifügten. In der EM-Qualifikation blieb das grundsolide Dänemark in der Schweizer Gruppe ungeschlagen.
Wundertüte Russland
Auch mit Russland hat Belgien zuletzt gute Erfahrungen gemacht. In der letzten EM-Qualifikation gelangen den Belgiern gegen den letzten WM-Gastgeber zwei Siege mit insgesamt sieben Toren. Dass man sich vor den Russen in Acht nehmen muss, ist aber spätestens seit der Weltmeisterschaft klar. Damals gingen sie ohne jeglichen Kredit ins Turnier und spielten sich bis in den Viertelfinal, den sie erst nach Penaltyschiessen gegen Kroatien verloren.
Wenn Nationalcoach Stanislaw Tschertschessow erneut die richtigen Worte findet, um das Team mit den launischen Ausnahmekönnern Alexander Golowin und Artem Dsjuba zu Höchstleistungen zu animieren, ist mit dem Europameister von 1960 zu rechnen. Die Frage nach den Resultaten der letzten Monaten ist, welches Russland an der EM zu sehen sein wird: jenes, das Schottland 4:0 deklassiert oder jenes, das in Serbien 0:5 untergeht. Einen Vorteil haben sowohl Dänen als auch Russen gegenüber den Belgiern. Beide sind Gastgeber. Dänemark spielt alle drei Vorrunden-Partien in Kopenhagen im eigenen Stadion, Russland zwei in St. Petersburg.
Finnland muss über sich hinauswachsen
Wenig spricht dafür, dass die Endrunden-Debütanten aus Finnland im Rennen um die Achtelfinal-Plätze ein entscheidendes Wort mitreden. Zwar haben sie in der Qualifikation unter anderen Griechenland und Bosnien-Herzegowina hinter sich gelassen und in einem Test den Weltmeister Frankreich überrascht. Aber das Team, das mit Spielern antritt, die zumeist bei kleineren ausländischen Klubs spielen, müsste über sich hinauswachsen, um die Vorrunde zu überstehen.
Die Taktik des Aussenseiters ist relativ leicht zu durchschauen. Mit vielen Arbeitern und einem Vollstrecker. Teemu Pukki, der Stürmer vom englischen Zweitligisten und Premier-League-Aufsteiger Norwich, schoss in der EM-Qualifikation 10 der 16 finnischen Tore. In den letzten Wochen schlug er sich mit einer Knöchelverletzung herum. Wie gut er sich davon erholt, ist offen, aber für Finnland ganz entscheidend.
Belgien in Zahlen
Einwohner: 11,5 Mio,
Hauptstadt: Brüssel
Gründung des Verbandes «Royal Belgian Football Association»: 1895
FIFA-Ranking: 1
Bisherige Teilnahmen an EM-Endrunden (5): 1972, 1980, 1984, 2000, 2016
Bestes EM-Resultat: Finalist 1980
Qualifikation: 1. der Gruppe I (10 Spiele/30 Punkte)
Bester Torschütze in der EM-Qualifikation: Romelu Lukaku (Inter Mailand) mit 7 Toren
Bekannteste Spieler: Lukaku (Inter Mailand), Thibaut Courtois (Real Madrid), Kevin De Bruyne (Manchester City), Eden Hazard (Real Madrid)
Nationaltrainer: Roberto Martinez (ESP/seit 2016)
Dänemark in Zahlen
Einwohner: 5,8 Mio. Einwohner
Hauptstadt: Kopenhagen
Gründung des Verbandes «Dansk Boldspil-Union»: 1889
FIFA-Ranking: 10
Bisherige Teilnahmen an EM-Endrunden (8): 1964, 1984, 1988, 1992, 1996, 2000, 2004, 2012
Bestes EM-Resultat: Sieger (1992)
Qualifikation: 2. der Gruppe D hinter der Schweiz (8 Spiele/16 Punkte)
Bester Torschütze in der EM-Qualifikation: Christian Eriksen (Inter Mailand) mit 5 Toren
Bekannteste Spieler: Eriksen (Inter Mailand), Kasper Schmeichel (Leicester), Simon Kjaer (AC Milan), Yussuf Poulsen (Leipzig)
Nationaltrainer: Kasper Hjulmand (DEN/seit 2020).
Russland in Zahlen
Einwohner: 146 Mio. Einwohner
Hauptstadt: Moskau
Gründung des Verbandes «Rossijski Futbolny Sojus»: 1912
FIFA-Ranking: 38
Bisherige Teilnahmen an EM-Endrunden (11): 1969, 1964, 1968, 1972, 1988, 1992, 1996, 2004, 2008, 2021, 2016
Bestes EM-Resultat: Sieger (1960)
Qualifikation: 2. der Gruppe I hinter Belgien (10 Spiele/24 Punkte)
Bester Torschütze in der EM-Qualifikation: Artem Dsjuba (Zenit St. Petersburg) mit 9 Toren
Bekannteste Spieler: Dsjuba (Zenit St. Petersburg), Juri Schirkow (Zenit St. Petersburg), Alexander Golowin (Monaco), Denis Tscheryschew (Valencia)
Nationaltrainer: Stanislaw Tschertschessow (RUS/seit 2016).
Finnland in Zahlen
Einwohner: 5,5 Mio. Einwohner
Hauptstadt: Helsinki
Gründung des Verbandes «Suomen Palloliitto»: 1907
FIFA-Ranking: 54
Erste EM-Teilnahme
Qualifikation: 2. der Gruppe J hinter Italien (10 Spiele/18 Punkte)
Bester Torschütze in der EM-Qualifikation: Teemu Pukki (Norwich) mit 10 Toren
Bekannteste Spieler: Pukki (Norwich), Lukas Hradecky (Leverkusen), Joel Pohjanpalo (Union Berlin/Leverkusen)
Nationaltrainer: Markku Kanerva (FIN/seit 2016).