Hommage an den Coach Schon jetzt: Danke, Vladimir Petkovic!

Kommentar: René Weder

28.6.2018

Baumeister des Erfolgs: Vladimir Petkovic.
Baumeister des Erfolgs: Vladimir Petkovic.
Bild: Getty Images

Was musste sich Vladimir Petkovic in seinen ersten Monaten als Nati-Trainer alles anhören. In die Fussstapfen von Ottmar Hitzfeld ist er längst getreten. Vielmehr: Er hat sie vergrössert und der Schweiz das Siegergen eingeimpft. Höchste Zeit für eine Hommage, Achtelfinal-Ausgang hin oder her.

Immer wieder erreichten uns auf der Redaktion in den letzten Jahren gehässige Kommentare, nachdem wir positiv über die Nationalmannschaft berichteten. Ob Testspiel, Trainingslager oder Ernstkampf: Es gibt Nörgler und Besserwisser wie Sand am Meer – und im Laufe der Zeit wurden sie immer zahlreicher, da heute jeder via Social Media und Kommentarfunktion seine Meinung kundtun und seiner Wut Luft verschaffen kann. Fällt die Kritik sachlich aus, soll sich jeder äussern dürfen, aber hinter den Schranken der Anonymität ist das leider heutzutage oft nicht mehr der Fall.

Beispiele:

«Mit der aktuellen Schweizer Fussball Nationalmannschaft können sich viele Schweizer schon lange nicht mehr identifizieren.»

«Der Trainer hat den 'Multi-Kulti Haufen' nicht im Griff.»

«Wieso hält Petkovic dermassen stur und starr an Chancentod Seferovic fest?! Dies widerspricht jeglicher Fussball-Intelligenz»

«Mit einer derartigen Abschottung gegen junge, erfolgreiche und neue Spieler, ist der jetzige Coach nicht mehr glaubhaft und tragbar, die einzig richtige Massnahme ist, Petkovic umgehend zu ersetzen.»

«Gavranovic spielt in der kroatischen Liga?! Ein Förderprogramm von Petkovic für seine ehemalige Heimat?»

«Wollen wir uns das antun? Im Sommer vor dem TV zu sitzen und uns die 'ehrenvollen' Niederlagen der 'Yugo-Secondo-Nati' anschauen?!»

«Die Schweiz wird in Russland sang und klanglos untergehen, auch wenn jetzt die Medien wieder auf Hurra-Stimmung machen!»


Dieser Kommentar ist auch für Sie, werter Herr K. R., der uns immer bittet, seine Beleidigungen zu publizieren. Das machen wir heute auszugsweise. Ihrem 100-Franken-Wettangebot, wonach die Schweiz an der WM vor dem Achtelfinal scheitern werde, sind wir indessen aus gutem Grund nicht nachgekommen. Sie hätten verloren. Und nun genug gelacht.

Der perfekte Trainer für unsere Nati

Nicht selten spielt eine offensichtliche Abneigung gegenüber Akteueren mit Migrationshintergrund in unserer Nationalmannschaft eine Rolle. An deren Spitze steht Vladimir Petkovic, geboren in Sarajewo, seit Ende der 80er-Jahre bei uns im Land, Doppelbürger Kroatiens und der Schweiz.

Petkovic spricht sieben Sprachen – und ganz ehrlich: Mir persönlich geht das Herz auf, wenn ich ihn analysieren und sprechen höre. Petkovic ist ein Trainer alter Schule mit Methoden neuer Zeiten. Disziplin und Wille stehen zuoberst in seinem Pflichtenheft, das er seinen Schützlingen mitgibt. Genügsamkeit und Anspruchslosigkeit sind seine Sachen nicht: Er strebt nach Höherem. Unabhängig des Gegners, unabhängig des Turniers, unabhängig der Meinung seiner Kritiker. Auch im Erfolg sieht er Verbesserungspotenzial. Das ist ein echter Coach, ohne wenn und aber.

Petkovic ist ein Glücksfall. Für die Schweiz, aber gerade auch für sein Team, das in Sachen Vielfalt die meisten Mannschaften der WM in den Schatten stellt. Der Nati-Trainer hat im Lauf der letzten Jahre aus einem heterogenen Haufen Talente ein echtes Team geschmiedet. Nie zuvor war die Nati eine derart eingespielte und zusammengeschweisste Truppe. 

Vielleicht wird 2018 unser Jahr

Petkovics Fähigkeiten gehen dabei weit über sein Fussball-Wissen und seine Akribie hinaus: Er bringt auch Qualitäten, die er sich als ehemaliger Sozialarbeiter antrainiert hat, in die Mannschaft ein. Seine Empathie und seine Offenheit sind überragend. Petkovic hat den Mut und die Vision, die seine Vorgänger manchmal vermissen liessen. Er trifft klare Entscheidungen, trägt die Verantwortung, stellt sich jederzeit vor die Mannschaft.

Und ist das alles nicht genug, so seien sein Schalk und sein Humor an dieser Stelle auch erwähnt. Wer nach dem spielerisch mässigen 2:2 gegen Costa Rica sagt: «Wir haben es heute nicht geschafft zu verlieren», der hat alle Sympathien auf seiner Seite. Authentischer geht nicht. Danke Vladimir Petkovic. Wir freuen uns auf mehr an dieser WM. 2018 wird vielleicht unser Jahr. Und sie haben die Gelegenheit, sich bei allen unsterblich zu machen. Vielleicht auch bei K. R.

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