Die Schweiz startet gegen Kamerun in die WM 2022. Die Mannschaft brennt und unterstreicht die Wichtigkeit eines guten Einstiegs ins Turnier. Für Breel Embolo ist es eine spezielle Affiche.
Zehn Tage lang hat sich das Schweizer Team, abgesehen von einem kurzen Abstecher nach Abu Dhabi zum einzigen Testspiel, in Doha auf die WM vorbereitet. Auf einem perfekt hergerichteten Fussballplatz eines Universitätsgeländes in Doha absolvierte es seine Trainings. Eine eigene Etage im luxuriösen, vor wenigen Monaten eröffneten Hotel Le Royal Méridien diente als Residenz. Der Test gegen Ghana vor einer knappen Woche half mit, sich an die Hitze zu gewöhnen und ein paar zusätzliche taktische Optionen auszuloten.
Jederzeit war die Mannschaft abgeschirmt von allen möglichen Störfaktoren. In ihrer Nähe hatte sie nur die SFV-Entourage, FIFA-Helfer und Sicherheitspersonal sowie, punktuell, eine überschaubare Gruppe Journalisten. In den letzten Tagen trafen auch Familienangehörige in Doha ein, das Geläuf im Hotel war aber weniger gross als in der Vergangenheit. Voller Fokus auf den Sport. So wünschte es sich der Nationaltrainer Murat Yakin. So bekam er es.
Voller Fokus hinter dem Schutzschild des SFV
All die Nebengeräusche dieser schrägen Winter-WM im kleinen Wüstenstaat, auch die Geschichte mit der von der FIFA kurzfristig verbotenen «One Love»-Captainbinde, die auch Granit Xhaka und das Schweizer Team betraf, blendete die Mannschaft aus. Die aufsehenerregenden Geschehnisse um Gianni Infantino und seltsamen Zensuren der FIFA unter dem Diktat von Katar perlten am Schutzschild des SFV ab.
Selbst produzierte das Team keine Polemiken um Frisuren und dergleichen wie an der Corona-EM 2021. Medizinische Zwischenfälle blieben aus, der sportliche Ausrutscher gegen Ghana (0:2) löste kein Beben aus. Alles ist gerichtet für etwas Grosses.
Nun gilt es ein erstes Mal ernst, und Murat Yakin kann personell aus dem Vollen schöpfen. Auch Goalie Yann Sommer ist nach seiner Knöchelverletzung dabei. Gegen Kamerun wird der Trainer wohl auf das 4-2-3-1-System und jene Spieler setzen, die im September in der Nations League überzeugt haben. Es sei denn, er wartet mit einer Überraschung auf.
Noch steht nicht alles auf dem Spiel für die Schweiz. Ein Unentschieden im ersten Gruppenspiel gegen Kamerun wäre kein Beinbruch. Doch die nächsten Aufgaben werden gegen Brasilien und Serbien nicht leichter. Auch darum betonen Spieler und Trainer, wie wichtig ein gelungener Einstieg ist. «Das nächste Spiel ist immer das wichtigste», sagt Granit Xhaka. «Das erste Spiel ist immer das wichtigste», meint Breel Embolo.
Embolos besondere Emotionen
Gerade für Embolo ist das Auftaktspiel noch spezieller. Der 25-jährige Stürmer ist der Sohn kamerunischer Eltern. Er wuchs die ersten sechs Jahre seines Lebens in Kameruns Hauptstadt Yaoundé auf, sein Vater Moise Kegni lebt wie viele Verwandte auch heute noch in Kamerun. «Es schwingen besondere Emotionen mit. Ich bin Kameruns grösster Fan. Aber ich will die drei Punkte trotzdem. Ein guter Start ins Turnier ist sehr wichtig», sagt Embolo.
Vor der Begegnung mit seinem Heimatland wies Embolo insbesondere auf die Stärken von Stürmer Eric Maxim Choupo-Moting hin, seinem ehemaligen Teamkollegen bei Schalke: «Choupo ist ein Riesen-Kicker – ein Spieler, der fast alles kann: Er ist gut in der Luft, hat einen guten Abschluss, läuft viel und hat eine gute Technik für seine Grösse.»
Aussenseiter mit turmhohen Erwartungen
Kamerun gilt in der Schweizer Gruppe G als klarer Aussenseiter – auch deshalb, weil die letzten Testspiele nicht überzeugend waren. Im September setzte es Niederlagen gegen Usbekistan (0:2) und Südkorea (0:1) ab, im November Unentschieden gegen Jamaika und Panama (je 1:1). Und weil die Qualifikation an einem seidenen Faden hing: Die Mannschaft von Trainer und Rekordnationalspieler Rigobert Song verlor in den Playoffs gegen Algerien das Heimspiel 0:1 und holte sich das WM-Ticket im Rückspiel in der 124. Minute dank eines Treffers von Karl Toko Ekambi.
Dennoch gehört Kamerun zu den Schwergewichten Afrikas. 1990 erreichte das Land in Italien als erstes seines Kontinents die WM-Viertelfinals, unter anderem dank eines 1:0-Erfolgs über Weltmeister Argentinien im Eröffnungsspiel. 2000 errangen die «Unbezähmbaren Löwen» Olympiagold in Sydney.
In der Heimat und im Verband gehen die Erwartungen auch 2022 ins Unermessliche. Die Mannschaft um die Stars André-Frank Zambo Anguissa (Napoli), Eric Maxim Choupo-Moting (Bayern München) und André Onana (Inter Mailand) sowie mit den hierzulande bekannten Jean-Pierre Nsame, Nicolas Moumi Ngamaleu und Gaël Ondoua soll wieder einmal Historisches schaffen. Samuel Eto'o, Kameruns bester Stürmer in der Historie und heutiger Verbandspräsident, sagte im Vorfeld: «Ich weiss nicht, warum wir die WM nicht gewinnen sollen. Wir gehen nach Katar, um Weltmeister zu werden.»