4. WM an der er trifft? Tim Cahill: Der Mann für die wichtigen Momente

SDA

16.6.2018 - 06:05

Schoss Australian an die WM, ist aber trotz Heldenstatus nicht ganz unumstritten: Tim Cahill
Schoss Australian an die WM, ist aber trotz Heldenstatus nicht ganz unumstritten: Tim Cahill
Source: Getty Images

Tim Cahill (38) hat in den letzten Monaten kaum gespielt und dürfte auch für Australien vorerst Reservist sein. Trotzdem ist der viertälteste Spieler der WM Ikone und Hoffnungsträger.

Es ist einigen wenigen Mannschaftssportlern vorbehalten, nicht nur nach ihrem momentanen Formstand beurteilt zu werden. Ein Privileg, das die einen Anhänger erfreut und die anderen empört. In Australien wurde die Nomination von Tim Cahill für das WM-Aufgebot dementsprechend kontrovers diskutiert. Der 38-Jährige blickt auf magere zwölf Monaten zurück, hat aber einen Lebenslauf, der ihm eine Ausnahmestellung garantiert. «Er ist ein Fall für sich», meinte Australiens Nationalcoach Bert van Marwijk. «Er ist einer der besten australischen Spieler aller Zeiten.»

Cahill ist ganz sicher die prägendste Figur der «Socceroos», der australischen Auswahl, die sich in den letzten rund 15 Jahren zu einem WM-Stammgast gemausert hat. Obwohl der Routinier zumindest am Samstag gegen Frankreich auf der Ersatzbank beginnen wird, ist er es, der die Sponsoren aufblühen und die Fans träumen lässt. Der Ölkonzern Caltex taufte fünf seiner Tankstellen in Australien für einige Wochen in Cahilltex um. An jeder Zapfsäule ist das Porträt des Stürmers zu sehen. Es weckt im gleichen Mass Erinnerungen und Hoffnungen.

Bei der WM 2006 machte der eingewechselte Cahill im Gruppenspiel gegen Japan in der Schlussphase innerhalb von sechs Minuten mit zwei Toren aus dem 0:1 ein 2:1. Es waren die ersten WM-Treffer der Australier, die inzwischen auf ein Total von elf kommen, wovon fünf auf das Konto des mit 1,80 m nicht sehr grossen, aber ungemein kopfballstarken Angreifers gehen. Das schönste Tor schoss er vor vier Jahren aber mit dem linken Fuss: einen Volley gegen die Niederlande.

Bei jeder der letzten drei WM-Endrunden traf Cahill mindestens einmal. Gelingt ihm auch in Russland ein Tor, würde er sich in einer exklusiven, von Pelé angeführten Reihe von Spielern wiederfinden, die an vier Endrunden getroffen haben und zu der sich am Freitagabend bei Portugals 3:3 gegen Spanien Cristiano Ronaldo gesellte. «Es wäre unbezahlbar», sagt Cahill. Böse Zungen behaupten aber, dass genau das Geld und der Druck der Sponsoren ausschlaggebend waren für die Berücksichtigung der Ikone im WM-Kader. Van Marwijk hätte gar nicht anders gekonnt als den Mann mit den 106 Länderspielen und 50 Toren in seine Mannschaft einzugliedern.

Eine Saison für drei Spiele

Die Skeptiker weisen darauf hin, dass Cahill in dieser Saison in zwei Meisterschaften gerademal 160 Minuten zum Einsatz gekommen ist: in Australien für Melbourne City und in der zweiten englischen Liga für Millwall, jenen Klub, bei dem Cahill seine Karriere 1998 lanciert hatte. Zu Millwall in den Südosten Londons flüchtete der australische Rekordtorschütze im Januar, um mehr Einsatzzeit im Hinblick auf die WM zu haben. Oder wie er es sagte: «Ich habe die ganze Saison auf drei Spiele hingearbeitet.» Auf die drei Vorrunden-Partien in Russland gegen Frankreich, Dänemark und Peru.

Die Zeiten, als Cahill auch im Klub für Furore sorgte – wie etwa während der acht Jahre bei Everton in der Premier League – sind vorbei. Und doch sind zwei seiner ehemaligen Wegbegleiter überzeugt, dass der Oldie nochmals zuschlagen kann, so wie er es im Qualifikations-Playoff gegen Syrien im letzten Oktober mit seinen zwei entscheidenden Treffern tat.

Phil Neville lobte Cahill in seiner BBC-Kolumne für seine Mentalität, Entschlossenheit und die Fähigkeit, zum richtigen Zeitpunkt präsent zu sein. Der Franzose Louis Saha, wie Neville früherer Teamkollege von Cahill, sagte: «Er ist aus speziellem Holz geschnitzt. Wenn er sich schneidet, heilt er am nächsten Tag.»

Ein unbändiger Wille hat Cahill von einer mehr an Rugby interessierten Familie in Sydney zu vier WM-Endrunden geführt. Auf dem Weg dorthin hat er unzählige Erfahrungen gesammelt: in Samoa, der Heimat seiner Mutter, als Junioren-Nationalspieler, in England, in den USA, in China und natürlich in Australien. Fast überall war er der Mann für die wichtigen Momente, schlug am liebsten dann zu, wenn es doppelt zählte. Kein anderer Spieler von Everton hat seit der Nachkriegszeit mehr Treffer im Derby gegen Liverpool erzielt als er, was für Premier-League-Kenner und speziell für Everton-Fans alleine schon jedes Privileg rechtfertigt.

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