Schweizer Achtelfinal-Gegner Ein Weltklasse-Kader – aber viele offene Fragen bei Frankreich

obe, sda

24.6.2021 - 14:06

Der Schweizer Achtelfinal-Gegner Frankreich hat die Vorrunde als Sieger der schwierigsten EM-Gruppe überstanden. Trotzdem läuft noch nicht alles wie gewünscht.

Keystone-SDA, obe, sda

Man habe mehr Fragen als Antworten nach den ersten drei EM-Spielen, stellte die französische Sportzeitung «L'Equipe» in ihrem Bericht zum abschliessenden Gruppenspiel gegen Portugal fest. Nationaltrainer Didier Deschamps nahm von Spiel zu Spiel kleinere personelle Änderungen vor, zum Teil freiwillig, zum Teil gezwungenermassen. Er stellte sein System auch leicht um, mal liess er Antoine Griezmann hinter den Spitzen spielen, mal in einer Reihe mit Kylian Mbappé und Karim Benzema.

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Frankreich ist ein Weltmeister auf der Suche. Es bleibt nach der Vorrunde unklar, welche Taktik Deschamps vorschwebt: das rasche Konterspiel oder der gepflegte Spielaufbau. Unter dem Strich wirkte das Auftreten des Ensemble, das einen Marktwert von über einer Milliarde Franken aufweist, vorab in den Partien gegen Ungarn (1:1) und Portugal (2:2) wenig gehaltvoll. Dass trotzdem Platz 1 vor Deutschland und Portugal heraussprang, zeigt aber auch welche Qualität in diesem Team vorhanden ist. Ein Überblick von Reihe zu Reihe.

Der Goalie

Hugo Lloris ist in Frankreich unbestritten. Am Mittwoch kam der 34-jährige Keeper von Tottenham zu seinem 128. Auftritt mit der Nationalmannschaft. Internationalen Beobachtern mögen einige schwere Fehler in Erinnerung bleiben, wie im WM-Final 2018 gegen Kroatien oder auch am Mittwoch gegen Portugal, als er einen Penalty verschuldete und nur mit Glück um den Platzverweis herumkam. Aber innerhalb der Mannschaft gilt er vor allem als der Mann der wichtigen Paraden, der mehr als einmal als Retter auftrat. Bei der EM konnte er sich bislang kaum auszeichnen.



Die Verteidigung

Innen top, aussen flop – so könnte man es etwas salopp ausdrücken. Ohne überragend zu sein, überzeugte im Zentrum das Duo Raphaël Varane/Presnel Kimpembe. Ersterer ist der elegantere Spieler und sichert ab, der andere ist eher für das Grobe zuständig. Kopfballstark sind sowohl der Verteidiger von Real Madrid als auch jener von Paris Saint-Germain.

Die Aussenpositionen sind bislang für Deschamps eine Baustelle. Rechts pausierte Benjamin Pavard gegen Portugal, nachdem er gleich zweimal in zwei Spielen einen Schlag gegen den Kopf kassiert hatte und zumindest gegen Ungarn so spielte, als wäre er dadurch beeinträchtigt. Sein erster Ersatz, der 22-jährige Jules Koundé vom FC Sevilla, konnte gegen Portugal nicht kaschieren, dass er eigentlich ein Innenverteidiger ist.



Der eigentlich gesetzte Linksverteidiger Lucas Hernandez kämpft seit Wochen mit Kniebeschwerden. Der 25-Jährige von Bayern München ist mit seiner Art normalerweise ein wichtiger Impulsgeber für das Team. Bisher hat er aber vor allem mit sich selber zu kämpfen. Gegen Portugal musste er zur Pause ausgewechselt werden. Sein Ersatz, Lucas Digne, fiel nach nur sieben Minuten ebenfalls aus, worauf der darin ungeübte Mittelfeldspieler Adrien Rabiot diese Position übernahm.

Das Mittelfeld

Paul Pogba ist bislang der Mann für die brillanten Momente. Seine Pässe sorgen für den Unterschied. Auch ist der bei Manchester United immer wieder umstrittene 83-fache Internationale zu einem der Chefs im französischen Team herangewachsen. Er dirigiert und motiviert. Trotzdem haben er und Ngolo Kanté, der mit Champions-League-Sieger Chelsea ein fantastisches Saisonfinale spielte, noch deutliches Verbesserungspotenzial. Es fehlt die Intensität und das Tempo, das von diesem Duo ausgehen sollte. Dritter Mann im Mittelfeld ist entweder Rabiot oder Corentin Tolisso, mit Vorteilen für Rabiot, der gegen Deutschland eine gute Leistung zeigte.



Der Sturm

Der hochgelobte Sturm zeigte sein Potenzial, ohne zur grossen Show anzusetzen. Mbappé hat mehrmals seine Schnelligkeit und technische Fähigkeiten unter Beweis gestellt und gegen Deutschland auch einmal aus knapper Abseitsposition getroffen. Rückkehrer Karim Benzema schoss gegen Portugal beide Tore, und Griezmann erzielte gegen Ungarn das 1:1. Aber im Zusammenspiel untereinander konnten sie nicht verbergen, dass sie noch nicht oft in dieser Konstellation angetreten sind. Die Automatismen und die Konstanz fehlen. Und so gilt für den Traumsturm, was für die gesamte Mannschaft richtig ist: Die Betriebstemperatur wurde noch nicht erreicht.