Nicht zum Wohl des Teams Warum wählte Spanien nicht den Frankfurter Weg?

Patrick Lämmle

14.6.2018

Luis Rubiales (rechts) schenkt Fernando Hierro das Vertrauen.
Luis Rubiales (rechts) schenkt Fernando Hierro das Vertrauen.
Bild: Getty Images

Die Meldung hat am Mittwoch eingeschlagen wie eine Bombe: Spanien entlässt Nationaltrainer Julen Lopetegui! Und das nur zwei Tage vor dem Auftaktspiel gegen Portugal! Wie ein gekränktes Ego Spaniens Traum vom WM-Titel zu begraben droht!

Fünf Minuten bevor Real Madrid die Verpflichtung von Julen Lopetegui am Dienstagabend vermeldete, hat Verbandspräsident Luis Rubiales davon erfahren. Er habe geschäumt vor Wut und angeblich wollte er den Trainer sofort entlassen. Führungsspieler wie Sergio Ramos und Andres Iniesta hätten versucht, das zu verhindern. Ohne Erfolg, wie sich am Folgetag zeigen sollte.

Und hier liegt das grosse Problem: Rubiales hat mit dem Rauswurf lediglich sein gekränktes Ego befriedigt. Der Verbandspräsident war enttäuscht, dass Lopetegui, dessen Vertrag man erst kürzlich bis 2020 verlängert hatte, bei erstbester Gelegenheit von seiner Ausstiegsklausel in Höhe von zwei Millionen Euro Gebrauch macht. Lopetegui hat also keinen Vertragsbruch begangen und so hätte das Thema auch nicht weiter hochgekocht werden müssen. Dass für Spieler und Trainer heute Verträge nicht mehr als ein Stück Papier sind, das ist längst bekannt. Dass Rubiales zutiefst gekränkt war, weil er erst fünf Minuten vor der Öffentlichkeit vom Wechsel erfuhr, ist dennoch nachvollziehbar. Die gesamte Kommunikation war ein perfektes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.

Wenn Rubiales nach der Entlassung sagt: «Wir stecken in einer komplizierten Situation, die komplizierteste, die man sich vorstellen kann», dann hat er zwar Recht, doch das ist in erster Linie sein Verschulden. Denn die Spieler standen weiter hinter ihrem Trainer - und ist in diesem Fall am Ende nicht genau das das Wichtigste?

Aus Rubiales Perspektive ist in erster Linie Real Madrid an allem Schuld. Und so ist es fast schon ironisch, dass Fernando Hierro nun den Posten als Cheftrainer übernimmt. Hierro hat so gut wie keine Erfahrung als Trainer und zudem ist er eine Vereinslegende von Real Madrid. Also jenem Klub, der die alles zerstörende Lawine ins Rollen brachte. Auch deshalb kann man nur zum Schluss kommen, dass der Verbandspräsident sein Ego über das Wohl der Mannschaft gestellt hat.

Fernando Hierro hält eine erste Teamansprache.
Fernando Hierro hält eine erste Teamansprache.
Bild: Getty Images

Rubiales hätte den Frankfurter Weg gehen sollen

Der Fall Lopetegui erinnert ein bisschen an den Fall Niko Kovac. Bayern München verkündete noch vor dem Cupfinal gegen Eintracht Frankfurt, dass Frankfurt-Trainer Niko Kovac auf die neue Saison hin die Fronten wechseln würde. Eintracht-Chef Fredi Bobic war stinksauer und schoss Giftpfeile in Richtung München – und auch er soll mit dem Gedanken gespielt haben, Kovac rauszuschmeissen. Doch anstatt sein gekränktes Ego zu befriedigen, hat Bobic an Kovac festgehalten, weil er gespürt hat, dass die Mannschaft noch hinter dem Trainer steht. Er wurde mit dem Pokal belohnt!

Fredi Bobic (rechts) und Niko Kovac haben gezeigt, wie man es auch machen kann.
Fredi Bobic (rechts) und Niko Kovac haben gezeigt, wie man es auch machen kann.
Bild: Getty Images

Warum hat Real Madrid den Wechsel verkündet?

Wohl kaum, weil die Bosse in Madrid ihrem neuen Trainer einen solchen Abgang wünschten. Die Königlichen haben einfach zu hoch gepokert. Kaum einer hat wohl ernsthaft damit gerechnet, dass Spanien den Mut hat, den Trainer so kurz vor der WM zu entlassen. Vielmehr wussten die Madrilenen, dass sie auf dem Transfermarkt in einer besseren Verhandlungsposition sind, wenn bekannt ist, wer den Trainerposten in der kommenden Saison inne hat.

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