Rücktritt als Folge? Wie der DFB-Präsident Özil jetzt zum Sündenbock macht

bam/dpa

10.7.2018

Reinhard Grindel fordert von Mesut Özil eine Stellungnahme zum Foto mit Recep Tayyip Erdogan.
Reinhard Grindel fordert von Mesut Özil eine Stellungnahme zum Foto mit Recep Tayyip Erdogan.
Keystone

In Deutschland ist das frühe WM-Out noch nicht verdaut. Man hat lange nach Gründen für das Scheitern gesucht. Der Sündenbock scheint aber in Mesut Özil gefunden worden zu sein. 

Vor den Weltmeisterschaften in Russland hat man das Foto von Illkay Gündogan und Mesut Özil mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan beim Deutschen Fussball Bund noch versucht totzuschweigen. Obwohl es viel Kritik um beide Spieler gab, hat sich Jogi Löw für die zwei Mittelfeldspieler entschieden. 

Jetzt, nachdem Deutschland in der Gruppenphase gegen Südkorea ausgeschieden ist, weht ein anderer Wind. Ein rauer. Özil versucht derweil, sich in den Ferien in Griechenland zu erholen. Doch der DFB-Präsident Reinhard Grindel und Manager Oliver Bierhoff veranstalten in Deutschland eine regelrechte Hetzjagd gegen Özil, in dem er dem deutsch-türkischen Doppelbürger den schwarzen Peter zuschiebt und eine sofortige öffentliche Erklärung von ihm fordert. «Für mich ist völlig klar, dass sich Mesut, wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt, auch in seinem eigenen Interesse öffentlich äussern sollte.» Ob Bundestrainer Joachim Löw weiter mit ihm plant, müsse man sehen, sagt Grindel. «In der Tat hoffe ich, dass Özils Stellungnahme so eindeutig ist, dass die Fragen der Fans und des Verbandes beantwortet sind.»

Have faith and thank God for all the blessings 🙏🏼 #M1Ö

Ein Beitrag geteilt von Mesut Özil (@m10_official) am

Wann spricht Özil?

Viele deutsche Medien kritisieren das Vorgehen von Bierhoff und Grindel scharf. Trotzdem erwartet man in Deutschland eine Stellungnahme. Özil schweigt aber weiterhin. Er sei enttäuscht und beleidigt, sagt sein Vater Mustafa und rät seinem Sohn nach den Aussagen von Bierhoff und Grindel zum Rücktritt aus der Nationalelf. «Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich sagen: Dankeschön, aber das wars. Dafür ist die Kränkung dann doch zu gross. Aber das ist nur meine ganz persönliche Meinung», sagt Mustafa Özil zur «Bild am Sonntag». 

Es geht über den Fussball hinaus: Sind die Deutschen ausreichend integrationsbereit?

«Auf die Idee, dass ein Foto mit Erdogan an der Niederlage gegen den Fußball-Giganten Südkorea Schuld sein soll, können auch nur DFB-Funktionäre nach 3 Wochen Nachdenken kommen», meint der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, der die Aufregung nicht verstehen kann.

Wer die hitzigen Debatten in den sozialen Medien verfolgt, wie die AfD den Fall Özil anfeuert, muss erkennen: Hier ist viel Rassismus unterwegs. Geht die DFB-Spitze sensibel genug mit einem Thema um, das enorme Spaltkraft hat? Wie sollen sich Talente mit türkischen Wurzeln für die Nationalelf entscheiden, wenn sie sich nur bei Erfolgen als gefeierte Mitspieler «der Mannschaft» fühlen dürfen?

In der hitzigen Debatte, der Polarisierung seit der Aufnahme von über einer Million Flüchtlinge, wird oft ein Punkt vergessen: Sind die Deutschen auch ausreichend integrationsbereit? 

Bereits 2004 hat Grindel im Deutschen Bundestag sein Urteil gefällt. «Multikulti ist in Wahrheit Kuddelmuddel», sagt der CDU-Politiker. «Es ist eine Lebenslüge, weil Multikulti in vielen Vierteln eben nur Monokultur geschaffen hat, wo Anreize zur Integration fehlen.» Es gebe zu viele islamisierte Räume «in unseren Städten und Verhaltensweisen von Ausländern, die zu Unfreiheit führen». Im Prinzip bleibt er nun seiner damaligen Linie treu.

Integration ohne Wenn und Aber. Und Mesut Özil, 2014 noch gefeierter Weltmeister, von Kanzlerin Angela Merkel persönlich gewürdigt, wird nun zum Sündenbock postituliert. 

Zurück zur Startseite