Schillernde Figur Darum polarisierte der verstorbene Spieleragent Mino Raiola wie kein Zweiter

SB10/DPA

1.5.2022

Mino Raiola ist 54-jährig verstorben.
Mino Raiola ist 54-jährig verstorben.
Bild: Getty

Spieleragent Mino Raiola war beileibe keine normale Figur. Selbst im schrillen Fussball-Zirkus fiel der umtriebige Italiener auf. So wurde der Mann mit dem schillernden Charakter zu einem Popstar abseits des Rasens.

SB10/DPA

1.5.2022

Am Donnerstag ging es wie ein Lauffeuer durch die internationale Fussballszene: Mino Raiola sei im Alter von 54 Jahren verstorben, berichteten mehrere italienische Medien übereinstimmend. Auf Twitter vermeldete etwa Real Madrid seinen Tod.

Dann die vorerst überraschende Kehrtwende: Mino Raiola meldete sich quasi vom Totenbett in den sozialen Medien mit einer Statusmeldung. Doch leider war das Aufatmen zu früh: Am Samstag gab seine Familie – ebenfalls über Raiolas Accounts – seinen Tod bekannt. Wie viel Einfluss er im Fussball hatte, konnte man an den Beileidsmeldungen in den sozialen Medien ablesen. Weit über 100'000 Menschen kondolierten da innerhalb der ersten Stunde. 

Wie wurde er zum wohl mächtigsten Spieler-Agenten, den die Branche je hatte?

Carmine, genannt «Mino» Raiola, wurde in Nocera Inferiore geboren, einer schmucklosen Stadt südlich von Neapel. In der Grossfamilie hätten 45 Leute in drei Häusern nebeneinander gelebt, erzählte er. Als er ein Jahr alt war, zog seine Familie nach Haarlem in den Niederlanden, wo sie eine Pizzeria eröffnete. Raiola trainierte sein Verhandlungsgeschick schon in jungen Jahren: Er handelte die Verträge mit den Lieferanten aus. Das Jurastudium schmiss er nach kurzer Zeit hin. «Ich finde es besser, viel Geld zu verdienen und sich einen Anwalt zu kaufen», sagte er.

Berühmt-berüchtigt bei Klubs für seine Verhandlungen

Die Diplomatie war nicht sein Metier. Stattdessen verstand er die Kunst einen Hype zu schaffen perfekt. Und darum geht es im Fussballgeschäft schliesslich häufig. Über die erste Annäherung mit seinem wohl bekanntesten Schützling, dem schwedischen Star Ibrahimovic, sagte er einmal: «Ich glaube, das Erste, was ich ihm sagte, war, er solle sich ins Knie f***en.» Schriftliche Verträge macht er mit seinen Spielern nicht. «Wenn ein Zahnarzt mich bitten würde, vorher einen Zwei-Jahres-Vertrag zu unterschreiben, würde ich das auch nicht machen. Wenn er denkt, er findet einen besseren, dann sollte er gehen.» Doch seine Spieler blieben offenbar auch so bei ihm.

Wer ihm dagegen in die Quere kam, wurde beschimpft. Über den Trainer Jürgen Klopp sagte er wegen dessen Umgang mit seinem Schützling Mario Balotelli bei Liverpool zum Beispiel: «Zu sagen, dass er sich nicht korrekt verhalten hat, ist eine Untertreibung. Er war ein Scheisskerl.» Exakt das gleiche Schimpfwort benutzte Manchester-United-Legende Alex Ferguson selbst für ihn – der Schotte war nicht mit dem Geschäftsgebaren von Raiola einverstanden.

Zu seinen Klienten zählte übrigens auch mal der Schweizer Pajtim Kasami, der sich ihm einst selbst in jungen Jahren anerbot. Vielleicht fühlte sich Weltenbummler Kasami wegen Raiolas Sprachkenntnissen (er sprach Italienisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Holländisch) mit ihm verbunden.

Im prominenten Kundenkreis mit Spielern wie Paul Pogba, Marco Verratti oder Erling Haaland genoss aber ein kleinerer Fisch wie Kasami nicht unbedingt Priorität. Als Raiola Kasami etwa zu einem Transfer nach Nottingham drängt, ist sein Spielervermittler bei der Vertragsunterschrift in England gar nicht dabei.

Mino Raiola hatte auch Zlatan Ibrahinovic im Portfolio.
Mino Raiola hatte auch Zlatan Ibrahinovic im Portfolio.
Bild: Getty

Wenn sich die Klubs gegen einen Abgang ihrer Spieler wehrten, fuhr der mächtige Berater grobes Geschütz auf. Oft empfahl er seinen Schützlingen dann einfach zu streiken. Meistens funktionierte diese Taktik. Manchmal sträubten sich die Spieler – Romelu Lukaku wollte beispielsweise ManUtd nicht erpressen und verliess Raiola. 

Wie eine Schlammschlacht mit Mino Raiola aussah, erlebte auch die AC Milan. Monatelang tobte ein Streit um den damals 18-jährigen Goalie Gianluigi Donnarumma, den Raiola immer wieder befeuerte. Zwar holte Raiola schlussendlich eine saftige Gehaltserhöhung für seinen Schützling heraus, doch der Ruf vom grossen Torwart-Talent und einstigem Publikumsliebling litt unter den öffentlich ausgetragenen Querelen dramatisch. Schlussendlich brachte Raiola ihn später bei PSG unter – für die Milan-Fans ist ihr einstiger Held seither ein rotes Tuch. 

Bonus wie ein Fussballstar

Bei den Transfers seiner Fussballer verdiente er stets ordentlich mit, so dass er laut Forbes-Magazin zu den reichsten Spielervermittlern gehörte. «Natürlich, ich bin kein Romantiker. Je mehr sie verdienen, desto mehr nehme auch ich mit nach Hause», hielt der Berater mit der Sonnenbrille und dem Handy am Ohr einst fest.

Beim Transfer des Franzosen Pogba für 105 Millionen Euro zu Manchester United soll er 2016 bis zu 50 Millionen verdient haben. Allein Juventus gab an, 27 Millionen an Raiola gezahlt zu haben. «Ich sage nur, es ist nicht die richtige Zahl: Vielleicht ist es weniger, aber vielleicht ist es mehr», so Raiola.

Immer wieder gab es auch Ermittlungen gegen den Super-Agenten. Die FIFA sperrte ihn und seinen Bruder Vincenzo auch mal für drei Monate. Zuvor sanktionierte ihn bereits der italienische Verband. Doch die Suspendierungen wurden aufgehoben. Irgendwie schaffte es Raiola immer, auf der Gewinnerseite zu stehen. Wohl auch deswegen zog er die Fussball-Stars an wie Motten das Licht.

Transparenz: Der Artikel erschien in ähnlicher Form am 17.7.2019.