Nations LeagueDeutsches Nationalteam – diese Ohnmacht
Markus Wanderl
17.10.2018
Das deutsche Fussball-Nationalteam hat in der Nations League auch gegen Frankreich verloren. Doch es zeigte sich in Paris verbessert, der Bundestrainer Joachim Löw dürfte sich erst einmal ein wenig aus der Schusslinie genommen haben.
Enttäuschung und Bitterkeit übermannten die deutschen Nationalspieler und ihren Trainer am Dienstagabend nach dem 1:2 gegen Frankreich. Ein Match «auf absoluter Augenhöhe» sei es gewesen, sagte Joachim Löw. Der Torwart Manuel Neuer resümierte: «Man hat den Aufwand gesehen, den wir betrieben haben.» Stellvertretend für seine Mitspieler fügte er hinzu: «Wir haben uns einfach nicht mit dem 2:0 belohnt.»
Besser als gestern im Pariser Stade de France ist die deutsche Nationalmannschaft in 2018 tatsächlich kaum aufgetreten, doch was hilft’s: Als sich die Franzosen daran erinnerten, ja der Weltmeister zu sein, wurde ihr Spiel doch noch eines Titelträgers würdig. Und wie so oft in diesem Jahr hatten die Deutschen am Ende das Nachsehen.
Zwar wurden sie von den in Hälfte zwei erstarkten Franzosen nicht guillotiniert, dafür setzte es Peitschenhiebe. Wie schon im EM-Halbfinal 2016 war es Antoine Griezmann, der die Gerte schwang (60., 82., Penalty), Toni Kroos (Real Madrid) hatte das 1:0 verantwortet (14.) – mit einem zittrigen Handelfmeter. Klar, aus dem Spiel heraus treffen die Deutschen ja nicht mehr. Der Müller heisst Thomas, nicht Gerd.
2018 – ein Jahr zum Vergessen
Müsste die Schlagzeile heute Morgen also nicht «Löw muss gehen» lauten? Die sechste Niederlage im elften Spiel dieses Jahres, der fast feststehende Abstieg in der Nations League, und – da war doch noch etwas – das WM-Vorrunden-Out von unlängst: Hätte Löw 2014 nicht den WM-Final gegen Argentinien gewonnen, er wäre wohl bereits seines Amtes enthoben. Einerseits.
Andererseits überraschte Löw im Vergleich zum samstäglichen 0:3 in Amsterdam gegen die Niederlande nun gegen «Les Bleus» mit gleich fünf neuen Spielern in der Startformation. Mehrheitlich junge und kaum Länderspiel-erprobte Profis wie Niklas Süle (FC Bayern), Thilo Kehrer (PSG), Nico Schulz (Hoffenheim), Leroy Sané (Manchester City) und Serge Gnabry (FC Bayern) fanden sich dort wieder – von der zuletzt vielzitierten Achse nur noch Manuel Neuer, Mats Hummels (beide FC Bayern) sowie eben Kroos.
Auch Kroos, im Mittelfeld seriös vereint mit dem unermüdlichen Joshua Kimmich (FC Bayern), schien sich zunächst die Augen zu reiben ob des Tempos, das Sané und Gnabry im Verbund mit Timo Werner (Leipzig) vorn anschlugen – erwartet hatte man das von Beginn an von den Franzosen rund um Kylian Mbappé (PSG), erst recht das Kontern. «Mutig und mit Dynamik nach vorne spielen» – die Löwsche Order wurde umgesetzt.
Evolution statt Revolution
Doch weil der letzte Pass zu ungenau geraten und eben das mögliche 2:0 nicht gefallen war, durfte Löw in der Nacht fast genüsslich sein Mantra wiederholen, wonach «die Jungen, das hat man schon auch gesehen, noch Erfahrung brauchen». Evolution statt Revolution, darauf könnte es immerhin hinauslaufen. Denn: «Hummels, Kroos, Neuer, das sind schon alles klasse Spieler», wie Löw in Erinnerung rief, «auch Boateng, wenn er wieder in Form ist.»
In Form ist Boateng, wie der diesmal spät eingewechselte Müller, aber schon lange nicht mehr. Insofern darf einer der Erkenntnisgewinne Löws lauten: Der trotz seiner 1,95 Meter wirklich schnelle Süle ist die ideale Ergänzung zum umsichtigen, vorn wie hinten kopfballgewaltigen, aber eher langsamen Mats Hummels.
Die nächste Bewährungsprobe kommt bestimmt: Am 15. November ist es ein Test gegen Russland, vier Tage später haben die Deutschen Gelegenheit, sich gegen die Niederlande zu rehabilitieren. Löw steht weiterhin unter Beobachtung. Doch längst steht fest: 2018 ist für den deutschen Fussball kein Ruhmesblatt.