Im letzten Spiel sitzt Ana-Maria Crnogorcevic 90 Minuten lang auf der Bank. Die Rekordnationalspielerin sieht sich in der EM-Qualifikation einem Konkurrenzkampf ausgesetzt, wie ihn die 33-Jährige im Nationalteam nicht gekannt hat.
Ana-Maria Crnogorcevic hat am Freitagabend einen besonderen Blick auf das 3:1 des Schweizer Nationalteams zum Auftakt der EM-Qualifikation gegen die Türkei. Die Rekordnationalspielerin (157 Länderspiele) und Rekordtorschützin (72 Tore) sitzt an diesem frühlingshaften Abend im Zürcher Stadion Letzigrund 90 Minuten lang auf der Bank.
Seit sie am 12. August 2009 gegen Schweden (3:0) an der Seite der heutigen TV-Expertin Martina Moser in der SFV-Auswahl debütiert hat, ist der Bernerin dieses Schicksal nicht oft widerfahren. Vielmehr setzten die Coaches gern auf die Dienste der robusten und torgefährlichen Spielerin – ob Béatrice von Siebenthal, welche Crnogorcevic erstmals in den Kreis des Nationalteams berief, oder deren Nachfolger Martina Voss-Tecklenburg und Nils Nielsen.
Selbst die im letzten November entlassene Inka Grings liess Crnogorcevic oft spielen – auch wenn es vor dem Ende der erfolglosen Amtszeit der Deutschen, die im Abstieg aus der höchsten Stufe der Nations League gipfelte, zu Spannungen zwischen Spielerin und Trainerin kam, die Crnogorcevic ein Aufgebot für den vorletzten Zusammenzug des Jahres kosteten.
Sundhages breite Perspektive
Ein Trumpf der in Thun ausgebildeten Athletin ist ihre Vielseitigkeit. Crnogorcevic ist nicht nur torgefährliche Stürmerin, sondern auch verlässliche Rechtsverteidigerin. Als sie bis im letzten Herbst während fast vier Jahren Teil des FC Barcelona war und damit einem der erfolgreichsten Klubteams Europas angehörte, kam Crnogorcevic regelmässig als Abwehrspielerin zum Einsatz. Und feierte mit dem mehrmaligen Gewinn der spanischen Meisterschaft und der Champions League grosse Erfolge.
Auch bei ihrem jetzigen Klub Atlético Madrid ist sie schon auf der rechten Seite einer Viererkette aufgelaufen. Aktuell ist Crnogorcevic in der spanischen Hauptstadt zwar Ergänzungsspielerin, mit ihrer Erfahrung kann sie aber im Nationalteam nach wie vor eine tragende Rolle einnehmen. Könnte man meinen.
Nationaltrainerin Pia Sundhage hat seit ihrem Amtsantritt im Januar mehrmals betont, dass sie die beste Zusammensetzung dieses Schweizer Teams noch finden muss. Entsprechend will die Schwedin möglichst viele Spielerinnen in Aktion sehen und kennenlernen. Auch deshalb waren beim ersten Zusammenzug unter der 64-Jährigen im Februar in Marbella gleich 28 Spielerinnen dabei.
Nicht überzeugend gegen Polen
Crnogorcevic kam in den beiden Testspielen in Spanien gegen Polen (4:1 und 0:1) zum Einsatz, vorab auf der rechten Abwehrseite. Doch Sundhage war von den Auftritten der routinierten Akteurin nicht angetan, wie die Trainerin nach dem Sieg gegen die Türkei verriet. Weshalb die Skandinavierin von ihrem ursprünglichen Plan, die Rekordnationalspielerin vorab in der Abwehr einzusetzen, abgekommen ist.
«Ana-Maria hat ihre besten Spiele im Sturm oder auf dem Flügel gemacht», sagt Sundhage. «Deshalb muss sie sich nun gegen die Konkurrentinnen in der Offensive durchsetzen.» Gegen die Türkei bekamen mit Aurélie Csillag (21), Alayah Pilgrim (20) und Smilla Vallotto (20) die Jungen das Vertrauen für die drei Positionen ganz vorne. Und hätte sich Amira Arfaoui (24) beim Aufwärmen nicht am Knie verletzt, hätte auch die Akteurin von Nürnberg den Vorzug vor der 33-jährigen Crnogorcevic erhalten.
Bewährungsprobe in Baku?
Es scheint also, als ob sich die Rekordnationalspielerin auf dem Weg an die EM 2025 einem Konkurrenzkampf stellen muss, den sie während ihrer Zeit im Schweizer Dress selten bis nie erlebt hat. Dass Crnogorcevic aber schon am Dienstag (14 Uhr) im zweiten Auftritt der EM-Qualifikation in Baku gegen Aserbaidschan eine Bewährungsprobe erhält, scheint zumindest möglich.
Neben Arfaoui haben nämlich auch Offensivspielerin Ramona Bachmann (Adduktorenprobleme) und Noelle Maritz (Hüftverletzung), welche gegen die Türkei als Rechtsverteidigerin auflief, die weite Reise in den Osten nicht angetreten. Es könnte ergo sowohl vorne als auch hinten Platz geben für Crnogorcevic. Das schliesst auch Sundhage nicht aus. Sie sagt, dass Standardsituationen wie schon am Freitag wichtig sein würden gegen einen tief stehenden Gegner. «Und Ana-Maria ist eine gute Option bei hohen Bällen.»