Interview Spycher: «Für uns ist das Spiel gegen Juventus ein Final»

SDA

11.12.2018 - 10:33

Sportchef Christoph Spycher: «Unsere Philosophie beruht auf Demut und Realitätssinn.»
Sportchef Christoph Spycher: «Unsere Philosophie beruht auf Demut und Realitätssinn.»
Source: Keystone

Noch die Spiele gegen Juventus und Xamax, dann werden die Young Boys auf einen reichen Herbst zurückblicken können. Sportchef Christoph Spycher tut es im Interview schon jetzt.


Christoph Spycher, YB wird die Champions League auf dem letzten Gruppenplatz abschliessen. Was bedeutet Ihnen das Spiel gegen Juventus noch?

Ein Spiel in der Champions League hat immer eine unglaubliche Bedeutung. Für uns ist das Spiel gegen Juventus ein Final.

Wie beurteilen Sie das gesamte Abschneiden in der Champions League?

Wir wussten, dass es rein resultatmässig in diese Richtung gehen kann. Sechs Spiele, null Punkte wären auch möglich gewesen. Wenn ich die Leistungen anschaue und dabei unser schlechtes Spiel in Turin weglasse, sieht es ein wenig anders aus. In den Spielen, in denen etwas möglich gewesen wäre und in denen die Leistung gut war, ist es uns nicht gelungen, das Momentum auf unsere Seite zu zwingen. Mit Ausnahme des Spiels in Manchester hat der Gegner immer mit seiner ersten Chance ein Tor geschossen. Das spricht natürlich auch für die Klasse dieser Gegner.

Wechseln wir zur Dominanz von YB in der Super League. Diese hat im Sommer 2017 begonnen und ist immer stärker geworden.

Wir wollten der Mannschaft ein neues Gesicht geben, ohne alles zu ändern. Nach dem Out im Cup gegen Winterthur im Frühling 2017 sahen wir, dass wir etwas verändern mussten, auch an der Mentalität in der Mannschaft. So brachten wir im Sommer 2017 frisches Blut hinein, es gab den grossen Wechsel. Ich erwähne Fassnacht, Nsame, Assalé, Moumi Ngamaleu, Sow und Aebischer, der von unten in die Mannschaft kam. Wir gaben David von Ballmoos das Vertrauen im Tor. Es kam eine andere Mentalität hinein, auch wenn vieles schon da war.



Es war auch ein Umbruch, bei dem Sie die Offensive stärkten. War der Angriff vorher zu sehr von Guillaume Hoarau abhängig?

Ja, das stimmt. Und mit der besseren Mentalität bekam beispielsweise auch Sékou Sanogo eine starke Bedeutung, die er vorher bei YB während Jahren nicht hatte. Er spürte das Vertrauen, und seither ist er sehr stark. Er wurde ein Stützpfeiler, der Leader im zentralen Mittelfeld. So hatten wir es ihm auch gesagt.

Worauf haben Sie bei den Transfers geachtet?

Wir brauchten nicht noch weitere erfahrene Superspieler. Wir benötigten aber Energie und Talent. Spieler, die bereit sind, schnell zu lernen. Spieler, die auch Qualitäten als Menschen mitbringen. Mit den neuen Spielern und mit der ganzen Mischung ist eine Dynamik entstanden, wie wir sie uns erhofft hatten.

Ein Trumpf der Mannschaft in diesem Herbst ist die physische Verfassung. Immer wieder spielt YB in der zweiten Halbzeit so, dass der Gegner nicht mehr mithalten kann. Teilen Sie diese Ansicht?

Die Physis ist sicher eine Qualität, die wir haben. Ein Punkt ist auch, dass sich die Mannschaft mit dem Trainerwechsel verändert hat. Und es ist ein Vorteil, dass das Grundgerüst in dieser Saison weiterhin besteht. Wir haben im Sommer nur einen Stammspieler verloren, Kasim Nuhu. Heute ist die Mannschaft taktisch flexibel. Das haben wir beim Match in Basel gesehen. Die Art und Weise, wie wir dort in der zweiten Halbzeit umstellen konnten, hat mir gezeigt, dass die Mannschaft im taktischen Verständnis nochmals gewachsen ist.

Im Kopf scheinen die Spieler ebenfalls stark zu sein. Schon oft hat die Mannschaft in der Super League ein Spiel gedreht oder spät für sich entschieden.

Diese mentale Stärke ist gewachsen, auch mit dem Meistertitel, mit der unglaublichen letzten Saison. Es ist ein Glaube vorhanden, ein Wille. Aber es ist eine Gratwanderung. Die Überzeugung darf nicht dazu führen, dass die Spieler glauben, dass sie nicht schon am Anfang hundertprozentig parat sein müssen. Wir könnten Punkte und Spiele herschenken, wenn wir zu selbstsicher sind.

Wird die Dominanz lange anhalten?

Wir sind uns nach wie vor unserer Rolle bewusst. Von der Wirtschaftlichkeit her gibt es eine ganz klare Nummer 1, den FC Basel. Ab 2002 hat Basel etwas Unglaubliches zustande gebracht. Wir kommen mit einem gewissen Abstand dahinter. Wir müssen immer versuchen, das Beste aus unseren Möglichkeiten herauszuholen. Es wäre falsch zu sagen, wir seien nach einem Meistertitel und einer Teilnahme an der Champions League die neue Nummer 1. Wir werden auch in Zukunft nicht so viel Geld ausgeben, wir werden unseren Weg weitergehen. Unsere Philosophie beruht auf Demut und Realitätssinn. Das hält uns andererseits nicht davon ab, so gut zu arbeiten, wie es geht, und sehr hungrig zu sein.

Inwiefern ist YB ein Ausbildungsverein?

Die jungen Spieler haben Vertrauen gefasst dank dem, was hier läuft. Es ist gut, wenn die jungen Spieler es cool finden, wie bei YB gearbeitet wird. Ein Junger muss nicht sagen, dass er 15 Jahre bei uns spielen wolle. Es dürfen auch Spieler bei uns sein, die in eine Topliga wechseln wollen, nachdem sie sich bei uns weiterentwickelt haben. Die Weiterentwicklung der Spieler erhöht auch den Wert und das Ansehen von YB innerhalb des Fussballs.

Sie haben im Herbst auf drei Hochzeiten getanzt. Meisterschaft, Cup, Champions League. Was ist am wichtigsten?

Wir haben keine Priorisierung unter den Wettbewerben. Jeder Wettbewerb ist uns sehr wichtig. Danach haben wir auch gehandelt. Wir streben immer an, mit der Belastung der einzelnen Spieler gut umzugehen.

Sie haben ein sehr breites Kader. Also gibt es Spieler, die mehr auf der Bank sitzen als andere. So kann es rasch Unzufriedene geben.

Gerardo Seoane macht es sehr, sehr gut. Wer es verdient, Einsatzminuten zu bekommen, bekommt diese auch. Diese Rotation ist wichtig für uns. Natürlich gibt es den einen oder anderen jungen Spieler, der noch nicht oft gespielt hat. Aber ein solcher Spieler muss einfach auf seinem Weg weitermachen. Er muss Druck machen und besser werden, damit er so weit kommt.

Verschiedene Spieler waren schon im Sommer im Ausland begehrt, Beispiel Kevin Mbabu. Was wird in der Transferperiode im Winter passieren?

Über die Wechsel im Winter kann man noch nichts sagen. Sicher wird es Veränderungen geben. Aber wir werden sicher auch im Frühling 2019 eine kompetitive Mannschaft auf dem Platz haben.

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