Andros Townsend Die Auferstehung eines tief gefallenen Top-Fussballers

pat

31.12.2019

Andros Townsend geht inzwischen mit Crystal Palace auf Punktejagd.
Andros Townsend geht inzwischen mit Crystal Palace auf Punktejagd.
Bild: Keystone

Andros Townsend erzählt die Geschichte eines hochtalentierten Profi-Fussballers, der auf Abwege gerät, die dunkelsten Stunden durchlebt und alles zu verlieren droht. Es ist seine Geschichte.


«Ich richte mich an jene Menschen da draussen, die Rückschläge erleidet haben, sich missverstanden, deprimiert oder verloren fühlen und vor allem an diejenigen, die gegen eine Sucht ankämpfen.»


Premier-Leauge-Profi Andros Townsend, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, hat in jungen Jahren den Sprung vom Talent zum Profi trotz eines Schicksalsschlags geschafft. Oben angelangt, treibt ihn die Langeweile in die Spielsucht. In einem Beitrag für das Onlineportal «The Players’ Tribune» schreibt der inzwischen 28-Jährige seine Geschichte nieder und erklärt, wie er dank professioneller Hilfe die Kurve gekriegt hat.

Townsend wird bei Tottenham ausgebildet, gilt als grosses Talent und schafft 17-jährig den Sprung in die erste Mannschaft – nicht aber den Durchbruch. Der Junge versauert auf der Bank, ehe seine Wechselodyssee beginnt. Innerhalb von vier Jahren wird er insgesamt neunmal in Klubs tieferer Ligen verliehen. «Ich verbrachte die meiste Zeit in Hotels, in Mannschaftscars, schaute auf mein Handy oder spielte FIFA. Es war schwierig, weil ich von Mitspielern umgeben war, die ich gar nie richtig kennenlernen konnte.» Das Gefühl von Einsamkeit und Langeweile macht dem jungen Townsend zu schaffen.

Natürlich könne man sich nicht beschweren, schliesslich lebe man seinen Traum und müsse sich nicht mit Problemen beschäftigen, mit denen weniger privilegierte Menschen zu kämpfen hätten. Aber auch als Fussballspieler sei man nur ein Mensch, das gehe manchmal vergessen. Es komme viel häufiger vor als man denke, dass Spieler von Selbstzweifeln und Depressionen geplagt würden.

«Innerhalb weniger Monate verlor ich die Kontrolle»

Auch Townsend gerät in eine Abwärtsspirale. Eines Abends sitzt er im Hotel, schaut in seinem Hotelzimmer TV und sieht eine Werbung für einen Wettanbieter. Er lädt sich die App herunter und platziert seine erste Wette. «Innerhalb weniger Monate verlor ich die Kontrolle. Ich verlor immer mehr Geld beim Wetten und war total süchtig.»

Er erinnert sich, wie er 2012 – damals von Tottenham an Birmingham City ausgeliehen – vor dem wichtigsten Match der Saison, dem Playoff-Halbfinal gegen Blackpool, umgerechnet 60’000 Franken auf den Ausgang einer einzigen Partie gesetzt hatte. Er verliert alles. «Das war der Tiefpunkt. Du fühlst dich total leer.» In diesem Moment habe er sich nicht mehr auf den Fussball konzentrieren können, das Einzige was ihn beschäftigt habe, sei die Frage: «Wie kann ich mein Geld zurückbekommen?»

Eine weitere Episode ereignet sich während seiner Zeit bei Leeds. Ein Treffen mit Fans und einigen Teamkollegen steht an, doch Townsend hat gerade eine Wette verloren. An den Betrag könne er sich nicht mehr erinnern, «aber ich war so leer, dass ich nur noch mein Handy ausschalten und ins Bett kriechen konnte.» Er verliert jegliche Lebensfreude.

«Alle haben überlebt, ausser mein Bruder»

Und deshalb betrachtet er es rückblickend als grosse Befreiung, dass er 2013 wegen Verstössen gegen das Wettreglement vom nationalen Fussballverband gebüsst und für vier Monate gesperrt wurde. «Es hörte nicht auf, bis ich erwischt wurde. Zum Glück wurde ich erwischt.»

Endlich sucht er professionelle Hilfe auf, um sich von der Spielsucht zu befreien. Aber auch um einen Schicksalsschlag zu verarbeiten, der sich Jahre zuvor ereignete. Als Townsend 10 Jahre alt ist, stirbt sein acht Jahre älterer Halbbruder bei einem Autounfall auf dem Weg zu einem Spiel. «Alle haben überlebt, ausser mein Bruder. An diesem Tag habe ich meinen Helden verloren. Der Schmerz hat mich ein Leben lang begleitet.»

Heute gehe es ihm gut, auch weil er sich den Rat seiner Mutter zu Herzen genommen hatte. Sie habe ihm geraten, sich einem Sportpsychologen anzuvertrauen: «Das hat nicht nur meine Fussballkarriere gerettet, sondern wahrscheinlich auch mich als Menschen.» Er habe gelernt, über seine Probleme zu sprechen.

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