Nationalmannschaft Besser als Hitzfeld, aber ohne Exploit – das spricht für und gegen Petkovic

bam

11.6.2019

Vladimir Petkovic mit dem Poker Face: Bleibt er Trainer der Nati?
Vladimir Petkovic mit dem Poker Face: Bleibt er Trainer der Nati?
Bild: Keystone

Vladimir Petkovics Vertrag läuft Ende Jahr aus. Soll der Nati-Coach bleiben? «Bluewin» liefert die Argumente, die für und gegen Petkovic sprechen.

Vladimir Petkovic war in seinen fünf Jahren als Nati-Coach nie unumstritten. Auch wenn rationale Gründe dafür fehlten. Nach der WM 2018 und dem bitteren Aus gegen Schweden stand er zuletzt in der Kritik, führte die Schweiz in diesem Jahr aber ans Final-Four-Turnier der Nations League und liess die Fans von der ersten internationalen Trophäe überhaupt träumen. Es sollte bekanntlich beim Traum bleiben.



Die Fussball-Nati steht nach der Sommerpause vor wichtigen Spielen gegen Irland und Gibraltar, um die direkte EM-Qualifikation 2020 zu realisieren. Ob Vladimir Petkovic an der nächsten Endrunde jedoch dabei sein wird, ist derzeit unklar. Sein Vertrag läuft Ende Jahr aus. Petkovic selber sagt, er sei «offen für Spekulationen» – ein klares Bekenntnis klingt anders. Wird er verlängern oder den Schweizer Fussballverband sogar vorzeitig verlassen? Der Trainer macht jedenfalls kein Geheimnis daraus, auch Klub-Angebote bekommen zu haben, mitunter aus Italien.

Was spricht für oder gegen den Verbleib des oft in der Kritik stehenden Trainers? 

Pro

Pro  1

Besser als Hitzfeld

Die Statistik

Petkovic hat die Schweizer Nati erfolgreich an die EM 2016 und an die WM 2018 geführt und in seiner Amtszeit somit keine Endrunde verpasst. Zum Vergleich: Trainer-Ikone Ottmar Hitzfeld schaffte es an zwei Weltmeisterschaften, 2012 fand die EM aber ohne die Schweiz statt. Die Statistik spricht allgemein für Petkovic: Er holte in 54 Spielen 1.83 Punkte pro Partie. Der Wert von Hitzfeld lag bei 1.77 Punkten pro Spiel.


Pro  2

Konsequente Entscheidungen

Der Umbruch

Die Schweiz spielt unter Petkovic zusehends dominanten und oftmals attraktiven Fussball. Weil einige Leistungsträger aber in die Jahre gekommen sind, hat Petkovic im August 2014 mit seinem Umbruch begonnen und stets betont, dass er damit noch nicht fertig sei. Dieser laufende Prozess sollte zumindest bis zur nächsten EM im Sommer 2020 nicht unterbrochen werden. Obwohl Petkovic für seinen Plan immer wieder unliebsame Entscheidungen treffen musste – er hat sie durchgezogen. Zuletzt sortierte er gestandene Spieler wie Valon Behrami, Johan Djourou, Blerim Dzemaili und wohl bald auch Stephan Lichtsteiner aus, um den Umbruch voranzutreiben.


Pro  3

Interne Akzeptanz

Das Sprachtalent

Der kroatisch-schweizerische Doppelbürger spricht mehrere Sprachen fliessend, was zum Coaching dieser multikulturellen Schweizer Auswahl nicht schaden kann. Die Spieler begrüssen, einen mehrsprachigen Coach zu haben. Petkovic kann sich mit vielen Exponenten in der jeweiligen Muttersprache austauschen und auf ihre Bedürfnisse eingehen. Vielleicht ist er auch deshalb intern so stark akzeptiert. Es gibt keine Misstöne, Entscheidungen werden akzeptiert.

Kontra

Kontra  1

Sechs-Jahres-Zyklus

Verschleisserscheinung

Während er sich mit seinem Team stets für die grossen Endrunden qualifizieren konnte, fehlte jeweils der nächste Schritt. Wie an den Fans und Spielern dürften die bitteren Niederlagen an der EM 2016 (gegen Polen) und WM 2018 (gegen Schweden) auch an Petkovic nicht spurlos vorbeigegangen sein. Nachdem die Schweiz nun auch an der Endrunde der Nations League ohne Erfolgserlebnis bleibt,  sind auftretende Verschleisserscheinungen durchaus möglich. Nach der EM 2020 wäre Petkovic sechs Jahre im Amt – eine lange Zeit. Vorgänger Ottmar Hitzfeld jedenfalls hatte zu diesem Zeitpunkt genug und trat zurück.


Kontra  2

Fehlender Exploit

Die grossen Spiele

Ausser gegen Belgien im letzten Gruppenspiel der Nations League hat die Schweiz kein entscheidendes Spiel gegen einen vermeintlich grossen Gegner gewonnen. Eines der Spiele an der Euro 2016 gegen Polen oder an der WM 2018 gegen Schweden hätte die Nati für sich entscheiden müssen. Es waren Gegner, die mit der Schweiz auf Augenhöhe waren. In beiden Partien gelangt es Petkovic jedoch nicht, die Mannschaft zum Exploit zu führen.


Kontra  3

Besseres Ansehen als Klubtrainer

Die Wertschätzung

Ein dritter Aspekt, der gegen Petkovic spricht, ist die fehlende Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Immer wieder muss sich der Nati-Trainer rechtfertigen und wehren, obwohl die sportlichen Erfolge keiner Rechtfertigung bedürfen. In Italien geniesst er dank seiner Vergangenheit grösseren Respekt. Man würde es ihm nicht verübeln, wenn er deswegen nach fünf oder sechs Jahren die Konsequenzen zieht.


Ob Petkovic bleibt oder nicht, hängt wohl auch unmittelbar von der EM-Qualifikation ab. Denkbar – und vielleicht auch am sinnvollsten – wäre, wenn Petkovic bis zur EM 2020 weitermacht und die Nationalmannschaft nicht schon während der EM-Kampagne mit einem Umbruch auf der Trainerposition belastet. Gut möglich, dass die Zeit danach für einen Wechsel reif ist.

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