BVB-Coach Favre: «Nati-Trainer? Nie im Leben»

jar

3.2.2020

Lucien Favre kämpft mit Borussia Dortmund um den Meistertitel.
Lucien Favre kämpft mit Borussia Dortmund um den Meistertitel.
Bild: Getty

Obwohl er seit Monaten von deutschen Medien immer wieder angezählt wird, mischt Lucien Favre mit Borussia Dortmund im Meisterrennen mit. Trotz der vielen Kritik macht dem Waadtländer der Job als Vereinstrainer offenbar so viel Spass, dass er keine Lust auf das Amt des Nati-Trainers hat.

Mit 70 Jahren sitze er nicht mehr auf der Trainerbank, hatte Lucien Favre unlängst dem «Kicker» gesagt. Bis dahin bleiben dem 62-Jährigen aber noch in paar Jahre. Und viele seiner Landsleute würden es begrüssen, wenn der wohl bekannteste Schweizer Trainer in dieser Zeit noch die Nati coachen würde. Doch das wird nicht passieren.

«Ich werde nie im Leben Nati-Trainer in der Schweiz. Das hat mich nie interessiert, auch wenn es immer wieder Gerüchte gab», sagt Favre in einem Interview mit dem «Blick». Er begründet: «Mit 50 wollte ich das noch nicht so offen kommunizieren. Aber heute kann ich es sagen: Als Klub-Trainer jeden Tag stundenlang auf dem Platz zu stehen, das macht mich glücklich. Nationaltrainer zu sein, ist nichts für mich. Und man muss die Zeit, die man auf Erden hat, bestmöglich nutzen.»

Mit Dortmund gewann Favre im Sommer den Supercup. Ignoriert man diesen mehr oder weniger unbedeutenden Pokal, sind die einzigen Titel, die der Westschweizer in seiner langen Trainerkarriere mit über 700 Pflichtspielen geholt hat, die beiden Meistertitel mit dem FC Zürich und zwei Cupsiege mit dem FCZ und Servette. Ein weiteres Engagement bei einem Super-Ligisten kommt für Favre aber auch nicht infrage: «Nein, auch das habe ich schon vor langer Zeit so kommuniziert.»

«Manches grenzt für mich an Lüge»

Was macht Lucien Favre denn, wenn er keine Lust mehr hat, an der Seitenlinie zu stehen? «Ich freue mich auf die Zeit mit meiner Familie und auch mit Freunden. Mit meiner Frau. Auf meine zwei Kinder. Und auf meine beiden Enkeltöchter», sagt er. Und diese Zeit wird der aktuelle BVB-Trainer nicht an einem Strand verbringen, sondern «daheim in Saint-Barthélemy». Dort, wo er geboren und aufgewachsen ist. Dort, wo auch Stan Wawrinka herkommt. Favre: «Er wuchs etwa 500 Meter von mir entfernt auf. Ich kenne seine Grosseltern und Eltern gut, war mit dem Vater in der Schule.»

Im beschaulichen 800-Seelen-Dörfchen im Waadtland wird Lucien Favre immer ein Nationalheld sein, auch wenn er die Nati nie trainieren wird. Etwas mehr Zuspruch dürfte sich Dortmunds Trainer auch von dem einen oder anderen Journalisten erhoffen. Seit seiner Ankunft beim BVB im Sommer 2018 wurde Favre attackiert wie kein Zweiter. Mehrere Male stand der Coach gemäss diversen Zeitungen schon kurz vor dem Aus. Erst am Wochenende war in der «Bild»-Zeitung zu lesen: «Ohne Titel wackelt Favres Job.»

Mit Kritik könne er aber gut umgehen, sagt Favre. «Was mich aber stört: Teile der Medien dürfen heute in einer Art und Weise übertreiben, die nicht akzeptabel ist für mich. Manches von dem, was tagtäglich verbreitet wird, grenzt für mich an Lüge», meint er. «Es scheint, als ob manche Medien gewissermassen Gift verspritzen, damit sie keine Leser verlieren.»



Verdrehte Tatsachen etwa machen Favre wütend. Als er vom «Blick»-Reporter auf die hohen Ausgaben in dieser Saison von fast 150 Millionen Euro angesprochen wird, schimpft er: «Das sind diese Lügen, die ich meine und die mich ärgern! (...) Kein Mensch schreibt, dass wir im Sommer auch Spieler für ebenso viel Geld verkauft haben! Und zwar nicht irgendwelche Spieler, sondern Stammspieler und Leistungsträger wie Christian Pulisic an Chelsea und Abdou Diallo zu PSG.»

Tatsächlich hat der BVB in den beiden Transferperioden nur 23 Millionen mehr ausgegeben als eingenommen. Favre: «Aber es wird eine Wahrheit geschaffen, in der es hauptsächlich darum geht, Druck auf den Trainer aufzubauen.»

Der unfaire Vergleich mit Klopp

Was der Schweizer auch immer wieder zu hören kriegt, sind Vergleiche mit Dortmunds letzten Meistertrainer: Jürgen Klopp. Er sagt, dass er mit dem Liverpool-Trainer guten Kontakt pflegt. «Natürlich macht er einen super Job», so Favre. Aber: «Auch er brauchte drei Jahre, um in Dortmund einen Titel zu holen. In Liverpool genauso. Er konnte seine Mannschaft peu à peu bauen und brauchte immer auch Zeit, bis es funktionierte.»

Favre, der bei Schwarzgelb einen besseren Punkteschnitt vorweisen kann als Klopp, befindet sich erst im zweiten Jahr beim BVB. Und doch hat er bereits jetzt gute Chancen auf den Meistertitel. Nach den drei Siegen zum Rückrundenstart hat Dortmund nur noch drei Punkte Rückstand auf den (neuen) Spitzenreiter Bayern München und deren zwei auf Herbstmeister RB Leipzig. 

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