Lucien Favre steht als Trainer von Borussia Dortmund in seiner schwierigsten Phase. Die deutschen Medien haben den Romand bereits vor dem heutigen Revierderby bei Schalke 04 abgeschrieben.
Lucien Favre ist kein Trainer der markigen Ankündigungen. Der 61-jährige Romand fühlt sich mit seinen Klubs in der Rolle des Favoriten jeweils weniger wohl als in derjenigen des Underdog. Auch darum ist er vor den Spielen jeweils voller Lob für die gegnerischen Equipen. In Deutschland hat er sich persönlich bei den Medien nun in diese Rolle des Aussenseiters manövriert: Kaum mehr ein Blatt im Land des grossen Nachbars traut ihm das Traineramt beim BVB noch zu.
Vor dem Revierderby bei Schalke 04 machte Favre gute Miene zum für ihn bösen Spiel. Obwohl bereits über seine möglichen Nachfolger wie José Mourinho spekuliert wurde, hielt sich der Trainer mit Klagen zurück. «Ich habe kein Problem damit, ich kann damit leben», kommentierte er die jüngsten Schlagzeilen. Und doch wollte Favre nicht auf einen kleinen Hinweis zu seiner Gemütslage verzichten: «Das heisst aber nicht, dass es okay für mich ist.»
Das Duell mit dem sportlichen Erzrivalen gilt für Favre als erstes Schicksalsspiel. Nur ein Sieg kann helfen, den Frust über den missglückten Auftritt des BVB bei Inter Mailand zu vertreiben. «Wir durchleben im Moment keine einfache Phase», sagte der Leiter der Lizenzspielerabteilung des BVB Sebastian Kehl. Ein 0:2 auswärts in Mailand, ohne seine besten Angreifer Marco Reus und Paco Alcacer und bei einem Gegner, der bislang nur gegen die Topklubs Juventus Turin und Barcelona verloren hat, sorgt für neuerliche Krisenstimmung im Ruhrgebiet.
Schicksalswochen für Favre
Eigentlich liegt der BVB bei nur einem Punkt Rückstand auf Tabellenführer Mönchengladbach passabel im Meisterrennen und hat auch in der Champions League noch alle Chancen auf die Achtelfinals. Gleichwohl wächst die mediale Kritik an der Arbeit von Favre von Woche zu Woche. Seine vorsichtige Art, so der Vorwurf aus der Presse, habe sich auf die Mannschaft übertragen. Sie sei der Grund, wieso Dortmund von den letzten sieben Pflichtspielen nur zwei hat gewinnen können – wobei der BVB dabei nur gegen Inter verlor.
Klarheit in der Causa «Favre» werden voraussichtlich die nächsten zwei Wochen bringen. Viele Niederlagen wird sich 61-Jährige im happigen Programm mit Spielen gegen Bundesliga-Leader Borussia Mönchengladbach (Cup), Wolfsburg, Inter Mailand (Champions League) und Bayern München in der Tat nicht leisten können. Auch wenn die Klubspitze zuletzt versichert hat, keine Trainerdiskussion zu führen.
Rückendeckung erhielt Favre vor dem Derby in Gelsenkirchen von einem, der mit dem medialen Kreuzfeuer ebenfalls bereits Erfahrungen gemacht hat: Niko Kovac. Der Bayern-Coach kritisierte den zunehmend respektlosen Umgang mit Trainern. Dortmund habe ein Spiel verloren – «und alles ist schlecht». Es sei eine Tendenz festzustellen, rasch auf die Trainer loszugehen. Die verteidigenden Worte seines Kollegen in Ehren, Favre helfen in seiner Situation ausschliesslich Siege.