Reaktion in der Nations League ist gefragt Findet die Nati gegen Spanien aus dem Tief? 

sda

7.6.2022 - 05:55

Murat Yakin ist als Krisenmanager gefragt.
Murat Yakin ist als Krisenmanager gefragt.
Bild: Getty

Nach den Niederlagen gegen Tschechien und Portugal zum Auftakt der Nations League ist rund um die Schweizer Nationalmannschaft Ernüchterung eingekehrt. Das Team ist aus der Balance geraten.

sda

Von einer Krise wollte Murat Yakin nach dem 0:4 gegen Portugal am Sonntagabend im Bauch des Alvalade-Stadions in Lissabon nichts wissen. Ruhig und sachlich versuchte der Nationaltrainer die Niederlage zu analysieren und Polemiken zu vermeiden. «Nach einem Ballverlust von uns ging es etwas zu schnell. Das war der Knackpunkt.»

Es ist lange her, dass eine Schweizer Nationalmannschaft derart vorgeführt wurde wie in der Viertelstunde vor der Pause, als der Europameister von 2016 in Perfektion das vorführte, was Yakin als Trainer der SFV-Auswahl vorschwebt: das schnelle Umschaltspiel. Beim 1:1 gegen Italien in Rom im November hatte dies eine Halbzeit hervorragend geklappt. Nun erhielten die Schweizer Anschauungsunterricht von der neben Frankreich womöglich besten Offensive der Welt.

Die Schweizer Euphorie des letzten Herbstes ist verflogen. Nachdem Yakin mit seiner lockeren und jovialen Art auch innerhalb des Verbandes für einen Aufbruch gesorgt hat, spürt er nun erstmals Gegenwind als Nationaltrainer. Nach vier sieglosen Spielen 2022 und den zwei schwachen Auftritten in Prag und in Lissabon ist die gute Laune rund um die Mannschaft verschwunden.

Defensive als Problem

Die Aufgabe, nach einer langen Saison innert elf Tagen vier Spiele im Rahmen eines Wettbewerbs gegen europäische Top-Mannschaften zu bestreiten, erweist sich als komplizierter als gedacht. Und jeden Tag tun sich für Yakin neue Baustellen auf: verletzte Spieler, solche, die nicht in Form sind oder kaum gespielt haben, oder solche, die ihre Rolle in diesem Team noch oder wieder finden müssen.

Die Defensive offenbart sich dabei als Problemzone. In den sechs Qualifikationsspielen im Herbst hatten die Schweizer nur einen Gegentreffer kassiert, nun in zwei Partien sechs. Und wenn Portugal nicht einige hochkarätige Chance ausgelassen hätte, hätte es wohl eine der höchsten Niederlagen in den letzten 60 Jahren abgesetzt. 1963 unterlag die Schweiz in Basel England 1:8, 1966 an der WM gegen Deutschland und 1997 in der WM-Qualifikation gegen Norwegen verlor sie 0:5.

Elvedi (rechts) fehlte zuletzt gegen Portugal verletzt, Schär konnte nicht überzeugen.
Elvedi (rechts) fehlte zuletzt gegen Portugal verletzt, Schär konnte nicht überzeugen.
Vild: Keystone

Dass die Defensive derzeit überhaupt nicht funktioniert, hat viele Gründe. Manuel Akanji fehlte in beiden Spielen verletzt, auch Nico Elvedi fiel gegen Portugal aus. Fabian Schär zog eine schwarze Woche ein, nachdem er zuletzt bei Newcastle starke Leistungen gezeigt hatte. Er wird gegen Spanien gesperrt sein. Fabian Frei verschuldete wie gegen England im März ein Gegentor, Kevin Mbabu offenbarte taktische Mängel und konnte seine fehlende Spielpraxis nicht verbergen. Und Ricardo Rodriguez war vom portugiesischen Tempo wie alle anderen ebenfalls überfordert.



Die Gegentore alleine den Verteidigern anzulasten, würde allerdings zu kurz greifen. Das ganze Kollektiv funktioniert in der Rückwärtsbewegung nicht. Zudem fehlte auch das letzte Quäntchen Leidenschaft, Intensität und Einsatzwillen. «Wenn wir die Laufleistungen vergleichen, hatte Tschechien einen Spieler mehr auf dem Platz als wir», sagte Nationalmannschaftsdirektor Pierluigi Tami. Auch dies ist eine Erklärung dafür, warum das, was im Herbst so gut funktioniert hat, aus dem Gleichgewicht geraten ist.

Eine Reaktion ist gefragt

Yakin ist nun gefordert, das Team bis zum Spiel am Donnerstag gegen Spanien wieder aufzurichten. Dass die Schweiz gegen die Besten der Welt mithalten kann, hat sie zur Genüge bewiesen. In der letzten Nations-League-Kampagne spielte sie in den vier Partien gegen Spanien und Deutschland dreimal Remis. An der EM eliminierte sie Weltmeister Frankreich im Penaltyschiessen, ehe sie danach in einem solchen Spanien unterlag. Dank zwei Remis gegen Italien schaffte sie auf Kosten des Europameisters die Qualifikation für die WM in Katar.

Das Gute aus Schweizer Sicht ist, dass es bis zur WM noch fünf Monate dauert, womit Yakin und seine Spieler genügend Zeit haben, das ins Schlingern geratene Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Will die SFV-Auswahl ihren im letzten Jahr erarbeiteten Goodwill in der Öffentlichkeit aber nicht verspielen, kann sie sich in den beiden Heimspielen gegen Spanien und Portugal keinen solchen Auftritt mehr leisten wie in Lissabon.