La Liga Grosser Umbruch: Atlético droht der Absturz zurück ins Mittelmass

Jan Arnet

27.6.2019

Trainer Diego Simeone steht mit Atlético Madrid mitten in einem grossen Umbruch.
Trainer Diego Simeone steht mit Atlético Madrid mitten in einem grossen Umbruch.
Bild: Getty

In den letzten sieben Jahren war Atlético Madrid in Spaniens La Liga stets ein ernstzunehmender Herausforderer von Barcelona und Real Madrid. Dies könnte sich nach diesem Sommer mit einem gewaltigen Umbruch ändern.

Die Champions League ohne Atlético Madrid? In den letzten Jahren war dies kaum vorstellbar. Die Truppe von Diego Simeone war zwar nie der Top-Favorit und konnte schluessendlich auch nie triumphieren, schaffte es aber fast immer in die entscheidende Phase des Turniers. 2014 und 2016 scheiterten die «Colchoneros» erst im Final. Auch in der kommenden Saison ist Atlético in der Königsklasse vertreten. Aber es könnte für einige Zeit die letzte Champions-League-Teilnahme sein. Denn der Umbruch, der sich in diesem Sommer anbahnt, ist riesig. 

Ein Blick zurück in den Dezember 2011. Atlético befand sich mitten in einer enttäuschenden Saison, stand nur auf Rang 10. Dabei sehnte sich der Klub nach langen Jahren der Enttäuschung doch wieder nach glorreichen Zeiten, nach der Champions League. Trainer Gregorio Manzano wurde schliesslich nach einer 0:2-Heimniederlage gegen Real Betis entlassen. Es kam Diego Simeone – und mit ihm die Wende: «Cholo» führte Atlético noch auf den 5. Platz und zum Europa-League-Titel. 

Die neue Ära war eingeläutet. Im Folgejahr führte Simeone den Hauptstadtklub erstmals seit 2009 wieder in die Top 4 und holte den Cupsieg. Atlético schaffte es mehr und mehr, zu einem ernsthaften Gegner der Liga-Dominatoren Real Madrid und Barcelona zu werden. Im Jahr 2014 dann der ganz grosse Coup: Die Madrilenen holten sich den ersten Meistertitel seit 1996. Und spätestens jetzt war jedem klar, dass sich die «Colchoneros» nicht mehr vor Barça und Real verstecken müssen.

Im Dezember 2014 wird Simeone vom spanischen König Felipe VI geehrt.
Im Dezember 2014 wird Simeone vom spanischen König Felipe VI geehrt.
Bild: Getty

Simeones Erfolgsrezept war klar: Er wollte junge, hungrige Spieler. Nicht die grossen Top-Stars, sondern Jungs mit dem nötigen Biss, die sich nicht zu schade sind, den inneren Schweinehund für den Erfolg zu überwinden. Er holte Spieler wie Jose Gimenez, Jan Oblak oder Antoine Griezmann und formte sie zu absoluten Weltklasse-Spielern. Keine 47 Millionen Euro zahlte Atlético für die drei aufgezählten Spieler. Addiert haben Gimenez, Oblak und Griezmann heute einen Gesamtmarktwert von rund 300 Millionen.

Atlético braucht eine fast komplett neue Abwehr

Und die grossen Stars blieben – bis jetzt. In diesem Sommer steht Atlético aber vor dem grossen Umbruch. Superstar Griezmann wird den Klub für die Ausstiegsklausel von 120 Millionen verlassen. Fast noch schwerer wiegt aber das Wegbröckeln des Abwehrbollwerks, das Atlético in den letzten Jahren zu seinem grossen Erfolg verhalf. Seit 2012 hatte in Spanien nur in einer Saison Atlético nicht am wenigsten Tore kassiert.

Lucas Hernandez wechselt für 80 Mio. zu Bayern, Abwehrboss Diego Godin verlässt den Klub ablösefrei und auch die Verträg der Aussenverteidiger Felipe Luis und Juanfran laufen aus. Verpflichtet hat Atlético für die Abwehr bislang erst Felipe vom FC Porto.

Lucas Hernandez und Diego Godin werden kommende Saison nicht mehr für Atlético auflaufen.
Lucas Hernandez und Diego Godin werden kommende Saison nicht mehr für Atlético auflaufen.
Bild: Getty

Im Mittelfeld wird mit dem Abgang von Rodri gerechnet. Manchester City soll bereit sein, die Ausstiegsklausel von 70 Millionen Euro für den Sechser zu bezahlen. Und auch die Zukunft von Stürmer Diego Costa ist ungewiss. Dieser soll wegen seines Auftretens zu den Verkaufskandidaten zählen. Costa hatte im April nach einem verbalen Angriff auf den Schiedsrichter acht Spielsperren erhalten und blieb danach dem Training fern, weil er sich vom Verein nicht unterstützt fühlte.

Zu guter Letzt stellt sich auch immer wieder die Frage, wie lange Simeone noch Trainer bleibt. Der Argentinier machte in den letzten Jahren immer wieder Andeutungen, dass er eines Tages zu seinem Ex-Klub Inter Mailand wechseln könnte. Erst im Dezember sagte er in einem Radio-Interview, dass er «schon 2000-mal gesagt habe, dass das irgendwann passieren wird».

Joao Felix als grosser Hoffnungsträger

Da wichtige Teamstützen den Klub verlassen, ist Atlético zu einer Reaktion gezwungen. Bereits verpflichtet hat der Klub neben Verteidiger Felipe auch den defensiven Mittelfeldspieler Marcos Llorente von Stadtrivale Real. Und nun scheint auch Griezmanns Nachfolger gefunden zu sein: Wie Benfica Lissabon am späten Mittwochabend bekannt gibt, haben die Madrilenen ein Angebot in Höhe von 126 Millionen Euro für Joao Felix abgegeben. Das 19-jährige Stürmertalent darf den portugiesischen Meister für die Ausstiegsklausel von 120 Mio. verlassen, der Deal steht offenbar vor dem Abschluss.



Auch andere illustre Namen tauchen im Blätterwald der internationalen Sportzeitungen in Verbindung mit möglichen Atlético-Transfers auf. So zum Beispiel James Rodriguez, für den Bayern München die Kaufoption abgelehnt hat. Der Kolumbianer gehört Real, doch die Königlichen wollen James anscheinend verkaufen. Napoli gilt ebenfalls als Interessent, James würde laut «Dadena Ser» aber lieber in Madrid leben. 

Auch Paulo Dybala, Edinson Cavani und Ante Rebic sollen auf der Wunschliste von Diego Simeone stehen. Und Granit Xhaka wurde auch schon mit einem Transfer zu Atlético in Verbindung gebracht. Am Donnerstag berichtet «Sport Bild» zudem vom Interesse der Madrilenen an Alexander Nübel. Sollte der Schalke-Goalie tatsächlich zu Atlético wechseln, würde das aber wohl bedeuten, dass Jan Oblak, seines Zeichens der aktuell wertvollste Keeper der Welt, zum Verkauf steht. Denn der begehrte Nübel wird bei seinem neuen Klub kaum die zweite Geige spielen wollen.

Atlético befindet sich in der wichtigsten Transferperiode der letzten Jahre. Die Abgängen der beiden grössten Teamstützen Griezmann und Godin müssen kompensiert werden. Doch was, wenn die falschen Spieler eingekauft werden? Was, wenn der so hochgelobte und superteure Joao Felix doch nicht zündet? Dann drohen Atlético womöglich wieder weniger erfolgreiche Jahre, es droht der Absturz zurück ins Mittelmass.

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