Seit Hansi Flick das Zepter als Trainer bei Bayern München übernommen hat, zeigt der deutsche Rekordmeister wieder sein wahres Gesicht. Was macht den 55-Jährigen so erfolgreich und beliebt?
Obschon die Bayern im vergangenen Jahr unter Niko Kovac das Double aus Meisterschaft und Cup geholt haben, wurden sie in München nie richtig warm mit ihrem Chefcoach. Teamintern hat es gehörig gebrodelt und so war es keine Überraschung, als Kovac nach der 1:5-Klatsche in der zehnten Runde der laufenden Saison entlassen wurde. Es war viel mehr eine Entlassung mit Ansage, denn auch in den Medien wurde der Ex-Coach wochenlang wie die Sau durchs Dorf getrieben. Was auch immer er machte, er machte es falsch. Selbst nach dem Double-Gewinn herrschte nur für kurze Zeit so etwas wie ein Waffenstillstand.
Als Hansi Flick dann schliesslich die Zügel übernahm, da schnellte der FC Bayern München wie ein Rennpferd aus der Box. 2:0, 4:0, 4:0, 6:0 lauteten die Resultate der ersten Spiele unter Flick. Das reinste Offensivspektakel und gleichzeitig schienen die Defensivprobleme wie verflogen. Es folgten dann zwei 1:2-Niederlagen in Folge und schon fragte sich der eine oder andere, ob Bayern für Flick vielleicht doch eine Hausnummer zu gross ist. Inzwischen sind die Zweifel verflogen, denn seit dem 7. Dezember gab es unter Flick keine einzige Niederlage mehr zu beklagen – weder in der Liga, noch im Cup, noch in der Champions League. In den letzten 15 Spielen haben die Bayern lediglich im Spitzenkampf gegen RB Leipzig (1:1) Punkte abgegeben.
«Loyalität, Wertschätzung und Respekt füreinander»
Was macht Flick so erfolgreich? Im Bayern-Mitgliedermagazin «51» spricht er über seine Philosophie: «Das Entscheidende ist für mich, dass es letztlich nur über den Teamgedanken geht. Ohne Loyalität, Wertschätzung und Respekt füreinander ist es schwer, sich erfolgreich und sinnvoll zu entwickeln.» Für ihn sei es wichtig, dass man Vertrauen schenke, viel kommuniziere und sich gegenseitig wertschätze. «Und: Man muss Spass haben an dem, was man macht. Erfolg hat man nur gemeinsam.»
Es sind Sätze, die eigentlich nicht überraschen sollten. In jedem Leadership-Buch dürften solche Sätze stehen und doch scheitern viele Trainer daran, weil es mit der Umsetzung hapert. Denn wer diese Charaktereigenschaften nicht verinnerlicht hat, wer solche Werte nur vorspielt, der wird scheitern. Ob man von gegenseitigem Respekt spricht oder ob man gegenseitigen Respekt vorlebt, das ist ein gewaltiger Unterschied.
In den Worten von Joshua Kimmich klingt das dann so, wie in einem «AZ»-Interview zu lesen war: «Er hat einen sehr guten Zugang zu uns Spielern, zu der Mannschaft. Er schafft es auch, den gesamten Staff mitzunehmen. Nicht nur wir Spieler entscheiden über Erfolg oder Misserfolg, es ist die Summe aller, das Drumherum, das grosse Ganze.»
Noch hat Hansi Flick nichts gewonnen
Die Resultate sprechen für Flick, seine Philosophie geht auf und deshalb wurde er unlängst auch mit einem Cheftrainer-Vertrag bis 2023 ausgestattet. Ihm sei klar, dass es am Ende um Titel gehe, aber nicht nur: «Ich kann mich voll damit identifizieren, dass der FC Bayern inzwischen den Anspruch hat, seine Fans über ein 1:0 hinaus zu begeistern.»
Auf dem Transfermarkt könnte sich auch bald etwas tun, offenbar hat Flick ein halbstündiges Gespräch mit Leroy Sané geführt – und Sportdirektor Hasan Salihamidzic hat bereits einen grossen Transfer angekündigt. Man müsse sich immer fragen, «welcher Spieler in unsere Mentalität passt», so Flick. «Dieser Verein ist etwas Besonderes» und mit dem «Mia san mia» könne man bei Verhandlungen mit Spielern punkten. «Genau das ist heute entscheidend: Dass ein Verein etwas entwickelt, etwas bietet, mit dem sich ein Spieler identifizieren kann. Die Vereinskultur und die Spielphilosophie eines FC Bayern wird sehr genau registriert.»
Etwas darf man aber nicht vergessen: Gewonnen hat Hansi Flick mit dem FC Bayern München noch rein gar nichts. Sollte das auch Ende Saison der Fall sein, noch ist das Triple möglich sofern all die unterbrochenen Wettbewerbe überhaupt zu Ende gespielt werden können, so dürfte sich der Wind ganz rasch wieder drehen. Das ist das Los eines jeden Trainers – auch jenes des vermeintlichen Heilsbringers Hansi Flick.