Jogi Löw Jogi Löw: Brasilien-Töter, Weltmeister-Macher, Espresso-König und «Eier-Krauler»

Von Patrick Lämmle

9.3.2021

Jogi Löw tritt nach der EM im Sommer zurück. Er gehe diesen Schritt ganz bewusst, «voller stolz und mit riesiger Dankbarkeit», heisst es in einem ersten Statement. Doch was bleibt von Löw in Erinnerung?

Von Patrick Lämmle

9.3.2021

Die Turnierbilanz von Rekord-Bundestrainer Jogi Löw
Applaus für Jogi Löw nach der WM 2014.

- EM 2008: Final (Platz 2)
- WM 2010: Platz 3
- EM 2012: Halbfinal
- WM 2014: Weltmeister
- EM 2016: Halbfinal
- Confederations Cup 2017: Sieger
- WM 2018: Vorrunden-Aus

2004 übernahm Löw in der deutschen Nationalmannschaft den Posten des Assistenztrainers. An der Seite von Jürgen Klinsmann bereitete er die DFB-Elf auf die WM im eigenen Land vor, die als Sommermärchen in die Geschichte eingehen sollte. Klinsmann der Motivator, Löw das Taktikgenie im Hintergrund. Sie haben geschafft, was kaum jemand für möglich hielt: Sie führten Deutschland auf Platz 3 und übertrafen damit die Erwartungen. Nach der WM steigt Löw zum Chefcoach auf. Er hievt die Mannschaft Schritt für Schritt aufs nächste Level. 2008 übersteht Deutschland zum ersten Mal seit 1996 (EM-Sieger) die Vorrunde einer Europameisterschaft. Auch an den folgenden Turnieren ist Deutschland wieder eine feste Grösse – und 2014 am Ziel angekommen: Weltmeister in Brasilien!

Dieser Triumph überstrahlt alles. Doch was bleibt abgesehen vom sensationellen Gewinn der Weltmeisterschaft sonst noch haften?

Die 7:1-Gala gegen Brasilien

Was sich am 8. Juli 2014 im WM-Halbfinal zwischen Brasilien und Deutschland abspielt, lässt sich auch Jahre später kaum begreifen. Brasilien startet angetrieben von den fussballverrückten Fans druckvoll, vergibt bereits in der 2. Minute eine erste dicke Chance. 27 Minuten später steht es 5:0 für Deutschland. Am Ende resultiert ein 7:1-Sieg für die Jogi-Elf. Es ist der höchste Sieg, den es je in einem WM-Halbfinal gab – und das gegen den Gastgeber, gegen den fünffachen Weltmeister Brasilien. Deutschland stürzt das ganze Land in einen Zustand der kollektiven Trauer.


Im WM-Final wechselt Löw den Sieg ein

Der Final gegen Argentinien ist dann eine zähe Angelegenheit, nach 90 torlosen Minuten geht es in die Verlängerung. Dort sorgt eine Kombination zweier Einwechselspieler in der 113. Minute für die Entscheidung. André Schürrle, der bereits in der 32. Minute für den ausgeknockten Christoph Kramer ins Spiel kam, flankt auf den in der 88. Minute für WM-Rekordtorschütze (16) Miroslav Klose eingewechselten Mario Götze. Spektakulär buxiert dieser das Leder in die Maschen und versetzt den Gauchos den K.-o.-Schlag. Später erfährt die Öffentlichkeit, was Löw seinem Schützling, der zuvor an der WM kaum eine Rolle spielte, vor der Einwechslung sagte: «Zeige der ganzen Welt, dass du besser bist als Messi! Zeige, dass du ein Spiel entscheiden kannst.» Die Worte haben ihre Wirkung an diesem grossen Tag nicht verfehlt.

Löw wechselt mit Götze den Sieg ein: «Zeige der ganzen Welt, dass du besser bist als Messi!»
Löw wechselt mit Götze den Sieg ein: «Zeige der ganzen Welt, dass du besser bist als Messi!»
Bild: Keystone

Der tiefe Fall bei der WM 2018

An der EM 2016 scheitert Deutschland im Halbfinal an Gastgeber Frankreich, die grosse Kritik am Trainer bleibt aus. Dies soll sich zwei Jahre später ändern. Wie so viele amtierende Weltmeister zuvor, scheitert Deutschland bereits in der Gruppenphase. Bereits im Vorfeld sorgten Nebenschauplätze (Erdogan-Affäre) für grosse Unruhe rund um die DFB-Elf und es sollte nicht besser werden.

Gegen Mexiko und Südkorea verloren, dazwischen ein Zittersieg gegen Schweden, Gruppenletzter. Jetzt wird es erstmals richtig ungemütlich für Löw. Kritik ohne Ende prasselt auf ihn ein, viele Experten und Fans fordern immer lauter Löws Rücktritt. Doch der Bundestrainer denkt nicht daran, den Posten zu räumen. Er leitet einen radikalen Umbruch ein, streicht etablierte Spieler wie Müller, Boateng und Hummels aus dem Kader, doch der Erfolg bleibt weiter aus.

Und so folgt auf die verpatzte WM der Abstieg in der Nations League (später wird die Liga A aufgestockt und Deutschland steigt am grünen Tisch wieder auf). Im vergangenen November dann der absolute Tiefpunkt: Die Deutschen verlieren gegen Spanien 0:6, worauf der Trainer mehr denn je infrage gestellt wird. Immerhin führt Löw Deutschland an die EM 2020, die nun im Sommer 2021 über die Bühne geht. Und nun ist auch klar, dass es sein letztes Turnier sein wird. Mit einem Triumph könnte er all seine Kritiker Lügen strafen. Etwas, das ihn zusätzlich antreiben dürfte.



Espresso und Schwäche für Süssigkeiten

Es werden aber auch ein paar Dinge in Erinnerung bleiben, die rein gar nichts mit Resultaten zu tun haben. So wurde Löw etwa immer ein Espresso serviert, wenn er beim ZDF für eine ausführliche Spielanalyse zum Interview erschien. Eine Alltagsdroge, ohne die es bei ihm nicht geht. Und der heute 61-Jährige hat auch eine Schwäche für Süssigkeiten, auch wenn man ihm das in keinster Weise ansieht. So erzählte er einst, dass er früher vier Tafeln Schokolade am Tag gegessen habe.


«Eier-Kraulen» mit Jogi

An der EM 2016 wird Jogi Löw von einer Kamera eingefangen, die zeigt, wie er seine Hand in die Hose gleiten lässt, diese danach zum Gesicht führt und daran schnüffelt. «Schnüffel-Jogi» ist in aller Munde, von einem «Ekelskandal» und vom «Hosen-Gate» ist die Rede. Er habe die Bilder am nächsten Tag auch gesehen, so Löw an einer Pressekonferenz darauf angesprochen. Manchmal mache man Dinge im Unterbewusstsein. «Es ist passiert. Natürlich tut es mir leid.» Schuld sei das Adrenalin gewesen.

Der Weltmeister-Trainer muss einem fast schon leidtun. Doch dann kommt Lukas Podolski und wischt das Thema an einer Pressekonferenz in seiner gewohnt lockeren Art vom Tisch und sorgt für kollektives Gelächter. «Das ist kein Thema. Ich denke, 80 Prozent von euch – und ich auch, kraulen sich auch mal die Eier», so der Publikumsliebling an die Journalisten adressiert. Ein Volltreffer, mit dem er dem Thema einen Arschtritt verpasst, um im Reich der Körperregionen zu bleiben. Und ja, auch dort hat sich Löw bestimmt schon gekratzt. Aber lassen wir das …